EU-Klimapolitik: Raus aus regulatorischer Sackgasse

Er war einst Europas heimliche Superkraft: der sogenannte „Brüssel-Effekt“. Vorschriften, auf die sich EU-Kommission, Europaparlament und die Mitgliedsstaaten einigten, setzten oft weltweit Standards. Ohne jeglichen politischen Druck, einfach durch die schiere wirtschaftliche Power der EU. Doch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Während Europa immer ambitioniertere Klimaziele formuliert, verlieren diese global an Wirkungskraft. Die Kluft zwischen der EU und den USA wird größer.
Mit dem Green Deal versuchte die EU, den Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft voranzutreiben. Die Taxonomie-Verordnung gibt klar vor, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. Sie lenkt Kapitalströme gezielt in grüne Projekte. Doch während Europa weiter auf Regulierung setzt, zeigt sich in den USA ein entgegengesetzter Trend: Banken und Vermögensverwalter wie BlackRock ziehen sich aus globalen Klimaallianzen zurück, die Unternehmen und Investoren ökologische Verpflichtungen auferlegen. Die amerikanische Wirtschaft macht damit deutlich, dass sie Nachhaltigkeit zwar nicht ignoriert, dass sie Nachhaltigkeit jedoch zunehmend als rein marktwirtschaftliches Thema betrachtet. Klar ist für sie offenbar: Risiken des Klimawandels bedrohen langfristige Renditen und nachhaltige Investments sind zweifellos ein wachsender Markt. Aber immer mehr Regeln und Verpflichtungen zu Nachhaltigkeit sind aus Sicht der US-Wirtschaft der falsche Weg.

Elisabeth Zehetner
Diese Entwicklung wird durch die zweite Amtszeit von Donald Trump noch verstärkt. Er führt die USA erneut aus dem Pariser Klimaabkommen heraus und forciert die Förderung von Öl und Gas für günstige Energiepreise. Seine politische Botschaft ist letztlich drastisch: Klimaschutz ist ein Problem – und nicht eine Chance.
Abseits der politischen Eskalations- und Disruptionstaktik von Donald Trump wird deutlich, wie unterschiedlich die wachstumsstarken USA und die wachstumsschwache EU ticken: Europas Taxonomie-Regeln sind ein Signal an die Welt, dass es Europa mit dem Thema Nachhaltigkeit ernst meint – und deswegen auf ein möglichst enges regulatorisches Korsett setzt. Die USA setzen hingegen auf Flexibilität und Marktlogik. Die Folge: US-Unternehmen scheinen sich dynamischer auf die globalen Herausforderungen einzustellen, während europäische Akteure im Regelwerk gefangen sind. Es wäre tatsächlich zu kurz gedacht, US-Unternehmen wie BlackRock und Co. nur ökonomischen Egoismus vorzuwerfen. Der Rückzug aus Allianzen wie der Net Zero Asset Managers Initiative bedeutet nämlich nicht, dass diese Unternehmen sich gegen Klimaschutz stellen. Vielmehr suchen sie nach flexibleren Ansätzen, um langfristig profitabel zu bleiben – und finden diese wohl auch.
Kann Europa diesen Wettbewerbsnachteil überwinden? Während die EU ehrgeizige Zwischenziele für 2040 anpeilt, droht sie, den Anschluss an die globalen Märkte zu verlieren. Ihr regulatorischer Ansatz birgt das Risiko, Innovationen zu bremsen, während die USA durch Marktkräfte möglicherweise effizienter agieren. Es ist ein Wettlauf mit ungleichen Mitteln.
Die Europäische Kommission hat mit der Präsentation des Wettbewerbskompasses diese Woche zwar versucht, eine strategische Antwort auf die Herausforderungen der europäischen Wirtschaft zu geben. Ob dieser dabei tatsächlich zu einer pragmatischeren Ausgestaltung der europäischen Klimapolitik führt, bleibt abzuwarten.
Europa muss sich fragen, wie es seine Vision von Nachhaltigkeit global attraktiver machen kann, ohne dabei die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu opfern.
Der „Brüssel-Effekt“ war einst ein Beweis für die Soft Power der EU. Heute sehen wir, wie diese Kraft verblasst. Es braucht jetzt mehr Pragmatismus und keine überambitionierten Ziele. Europa muss raus aus der regulatorischen Sackgasse - und beweisen, dass sein Modell nicht nur „moralisch“ richtig, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Sonst ist der „Brüssel-Effekt“ endgültig Geschichte. Und das ist keine gute Nachricht – weder für mehr Wirtschaftskraft, noch für besseren Klimaschutz.
Elisabeth Zehetner ist Geschäftsführerin von Oecolution Austria; davor in der WKÖ tätig
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