In Amerika ist es schon historisch, wenn Elvis dort gepinkelt hat

US President Trump unveils new tariffs on so-called Liberation Day
Kabarettistin Aida Loos über die Lächerlichkeit des US-Präsidenten, der einen neuen Aggregatzustand erreicht hat.

Zurück in Wien sitze ich in meinem Stammcafè, wo mich der Kellner seit 2007 hasst, weil ich damals einmal nach 14 Uhr ein Mittagsmenü bestellt habe. Auch heute serviert er meine Melange mit einem Gesichtsausdruck als hätte ich behauptet, die Sachertorte sei ursprünglich aus Deutschland. Dieser Blick aus Ekel und Verachtung spricht so perfekt wienerisch, dass ich kurz überlege, ihn aufgrund seines emotionalen Engagements auf meine Notfallkontaktliste zu setzen.

Ich lese mich durch die Schlagzeilen der letzten Tage und stolpere über folgende Meldung: Trump will europäischen Firmen Diversität verbieten, weil offenbar nichts gefährlicher ist als verschiedene Menschen, die zusammenarbeiten, ohne sich gegenseitig zu erschießen.

Die Ironie ist so köstlich, dass man sie als Vorspeise servieren könnte: 

Der Präsident eines Landes, das ohne Einwanderern nicht einmal existieren würde, sitzt in seinem goldenen Turm mit Personal aus Lateinamerika, einer Frau aus Slowenien und einer Frisur von einem anderen Planeten und prädigt uns die Vorzüge von Homogenität.

Als hätten wir in Europa nichts Besseres zu tun, als auf die Befehle eines Mannes zu hören, der denkt, Kultur ist, wenn man Kaffee aus Pappbechern trinkt, die so groß sind, dass man darin ein Kleinkind baden könnte und dessen Unternehmen so oft bankrott gingen, dass die Banken bei seinem Anblick automatisch die Tresore verschließen. 

Trump hat den Begriff „Diversität“ fundamental missverstanden. Er glaubt, es bedeutet, zwischen 52 verschiedenen Cornflakessorten wählen zu können und dass Barbie jetzt auch mit Brille erhältlich ist.
Es ist, als würde ein Borkenkäfer dem Wald befehlen, mehr auf sein Äußeres zu achten oder ein Analphabet Goethe korrigieren wollen. Es ist nicht nur lächerlich, es ist ein neuer Aggregatzustand der Lächerlichkeit, für den wir noch keinen angemessenen Begriff gefunden haben.

In Amerika ist es schon historisch, wenn Elvis dort gepinkelt hat

Aida Loos, die Autorin des Textes.

Trump scheint wohl zu glauben, dass es Europa an Selbstvertrauen mangelt. 

Als ob ein Kontinent, der die Renaissance, die Aufklärung und den Espresso hervorgebracht hat, Nachhilfe bräuchte von einem Land, das glaubt, Käse käme natürlicherweise in Sprühdosen auf die Welt.

Ich bin mir ziemlich sicher, mehr über die amerikanische Geschichte zu wissen als Trump selbst. Nicht, weil ich besonders interessiert daran wäre, sondern weil sie so kurz ist, dass man sie in einer Mittagspause vollständig studieren kann. In Amerika bedeutet „historisches Gebäude“, dass Elvis dort einmal gepinkelt hat. In Europa bedeutet „modernes Gebäude“, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut werden musste. Amerikaner denken, 100 Jahre sind eine lange Zeit. Europäer denken, 100 Kilometer sind eine lange Reise.

Was Trump nicht versteht: 

Unser Problem ist nicht zu wenig Selbstvertrauen, wir haben sogar zu viel davon. Jedes einzelne europäische Land glaubt, es sei das relevanteste. Frag mal einen Franzosen, was er von italienischem Wein hält oder einen Spanier, was er von der Schweizer Pünktlichkeit hält oder einen Österreicher, was er von deutschem Humor hält. Du wirst dreimal die gleiche Antwort bekommen: Herablassende Arroganz mit einem Hauch von widerwilligem Respekt.

Unser europäisches Selbstbewusstsein ist wie ein Pfau, der so beeindruckt von seinem Gefieder ist, dass er vergessen hat, wie man fliegt. Und vielleicht ist ja genau das das Problem: Unser Selbstbewusstsein ist so groß, dass es irgendwann in Selbstgefälligkeit umgeschlagen ist. Wir sind so überzeugt von unserer kulturellen Überlegenheit, dass wir sie als Rechtfertigung für Stillstand benutzen und aufgehört haben, an uns zu arbeiten. Wir sind so arrogant, dass wir uns nicht einmal die Mühe machen, arrogant zu wirken.

Europa ist wie ein adeliger Greis, 

der in einem verfallenen Schloss lebt, umgeben von vergilbten Fotos und seiner glorreichen Vergangenheit, während das Dach über ihm einstürzt. „Ich war einmal wichtig!“ ruft er, während das Regenwasser auf seine letzte verbliebene Perücke tropft. „Ich habe Mozart hervorgebracht! Und den Louvre! Und die Demokratie!“ All das ist zweifellos wahr, aber während er seine vergangenen Triumphe aufzählt, haben die Asiaten längst seinen Rasen gemäht und sein Auto repariert.

Vielleicht ist es das falsche Selbstbewusstsein. Es ist das Selbstbewusstsein einer alternden Diva, die sich weigert, neue Rollen anzunehmen, weil sie glaubt, sie könne mit 70 noch die 16-jährige Julia spielen oder das eines Museumswärters, der glaubt, die Kunstwerke, die er bewacht, hätte er selbst gemalt.

Während wir wie verwöhnte Erben in einem Ruhm schwelgen, haben die Amerikaner das entgegengesetzte Problem: Sie sind so besessen von ihrer Zukunft, dass sie ihre Geschichte ständig neu erfinden. Europa braucht nicht noch mehr Selbstvertrauen, genauso wenig wie Bill Gates noch mehr Geld braucht. Europa braucht Kopfhörer, um den konstanten Lärm amerikanischer Selbstbeweihräucherung auszublenden und sich endlich auf die Gegenwart zu konzentrieren.

Der Kellner bringt mir die Rechnung, ohne dass ich danach gefragt habe. Dann zahl’ ich halt.

Aida Loos ist Schauspielerin und Kabarettistin.
 

Kommentare