Die selbstzerstörerischen Unzulänglichkeiten der Politik

Die selbstzerstörerischen Unzulänglichkeiten der Politik
Warum die Republik nicht für die Zukunft gerüstet ist. Ein Gastkommentar von Gottfried Schellmann.

In der Debatte um die sozialen Sicherungssysteme hat sich einmal mehr gezeigt, dass das politische System Österreichs mit seinen Institutionen und Parteien außer Stande ist, Tatsachen wahrzunehmen und Vorschriften bezüglich ihrer Wirkungen zu evaluieren. Wenn Wien meint, höhere Zahlungen für Kinder in der Mindestsicherung und zusätzlich eine Wohnbeihilfe leisten zu müssen, übersehen die Kritiker, dass der zusätzliche Anspruch auf Familienleistungen wie Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag etc. auch für Asylberechtigte bei sieben Kindern dazu führt, dass eine syrische Familie auf ein Nettohaushaltseinkommen von mehr als 85.000 Euro kommt.

Die selbstzerstörerischen Unzulänglichkeiten der Politik

Gottfried Schellmann

Die Zahlungen der Familienleistungen in der Höhe von rund 28.000 gehören zur Bundeszuständigkeit und sind ein Zeugnis dafür, dass die Bundesregierungen seit 2015 nicht verstanden haben, wie Steuerrecht, Arbeitslosenentgelte und Sozialhilfe zueinander wirken. Wer meint, in vorangegangen Regierungen wäre alles besser gewesen, den darf ich beruhigen, in Österreich hat die Politik außer weltanschauliches Geplänkel nie wirklich Vernünftiges zustande gebracht. Es waren immer nur die Bürger, die so viel geleistet haben, dass Österreich trotz seines unzulänglichen und teuren, institutionellen und politischen Gefüges nicht unterging.

Ein anderes markantes Beispiel für das Unvermögen der Politik ist der Bereich Soziales Wohnen. Auf Druck der Gemeinde Wien hat es Ferdinand Lacina bei den Beitrittsverhandlungen zur EU erreicht (1994), dass bei der Vermietung von Wohnungen die Umsatzsteuer mit dem ermäßigten Steuersatz zu berechnen ist (derzeit 10 %), dafür aber für die Bau- und Instandhaltungskosten der volle Vorsteuerabzug von 20 % zusteht. Das System ermäßigt im Vergleich zu allen anderen Mitgliedstaaten die Baukosten um 20 %. Für den sozialen Wohnbau ist die Maßnahme auch zu rechtfertigen. Allerdings hat man europarechtlich keine Unterscheidung zwischen dem sozialen und privaten Wohnbau getroffen, sodass auch allen Errichtern von Vorsorgewohnungen, den Organisatoren von Bauherrenmodellen, aber auch den Errichtern von Luxusimmobilien in Kapitalgesellschaften oder Stiftungen der Vorteil zustand. Das war und ist eine im übrigen Europa nicht anzutreffende Reichenförderung der besonderen Art, die den Staat Milliarden gekostet hat. Die Wirkung der Regelung wurde erst prominent diskutiert, als der Fall Benko und seine Luxusvilla, für die 12 Mio. an Vorsteuern rückerstattet worden sind, in den Medien auftauchte.

Und die Politik? Die hat bis heute nicht im Ansatz eine seit 2006 europarechtlich mögliche Änderung angegangen. Das ist nicht allein der ÖVP vorzuwerfen, die meist alles verschläft. Der Vorwurf der Untätigkeit trifft alle Parteien, insbesondere die SPÖ, für die das System eingerichtet wurde. Es gäbe viele weitere Beispiele, in denen aufgezeigt werden kann, dass die Republik durchgehend an weltanschaulicher Dumpfheit leidet und für die Zukunft nicht gerüstet ist.

Gottfried Schellmann Der Autor ist Steuerberater und Lektor an der FH (Campus) Wien.

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