Aufrüstung allein reicht nicht!

Muss man gleich eine Prepper-Messe (wie hier in Colorado, USA) aufsuchen, um resilient zu sein?
Wir sind schlecht vorbereitet: auf Naturkatastrophen ebenso wie auf Pandemien und autokratische Kriegstreiber. Wie resilient wären Sie, wenn es hart auf hart käme?
Egal, wie man es dreht und wendet: Der Anpassungsfähigste gewinnt am Ende. Also die Person, die fit für die Herausforderungen ist, die sich ihr stellen und einen langen Atem hat. Das ist allerdings leichter gesagt als getan. Wie lange könnten Sie es ohne Strom schaffen? Mehr als einen Tag? Schon mal überlegt, wie schmackhaft es aus der Toilette riechen würde, wenn nicht mehr mit Wasser nachgespült werden kann? Wie unangenehm es ist, sich nicht sofort – mit einem Handumdrehen – die Hände waschen zu können, um beispielsweise Verletzungen versorgen zu können? Ob Sie und ich besser vorbereitet wären, als es die Menschen in der Ukraine waren?

Lisz Hirn
Eine Gruppe, die sich gezielt vorbereitet, sind die „Prepper“ (engl. „to be prepared“). Es gibt keine genauen Zahlen, aber Insider beobachten nicht nur einen stärkeren Zulauf, sondern auch mehr Interesse am Thema. Durch die Krisen der letzten Jahre scheint es im Mainstream angekommen zu sein. Was früher als schräge Survival-Spinnerei betrachtet wurde, ist nun salonfähig geworden. In Zeiten wahrscheinlicher Blackouts und atomarer Zwischenfälle erscheint ihr Vorsichtsverhalten plötzlich nachahmenswert. Experten warnten schon länger vor der vorgetäuschten Sicherheit des „westlichen Lebensstils“, im Äußeren wie im Inneren.
Die Zeitenwende wirkt sich mittlerweile auch auf die privaten Haushalte aus. Die könnten sich ohne öffentliche Hilfe im Schnitt nur etwa drei Tage lang ernähren, wenige Haushalte eine ganze Woche. Lediglich eine winzige Minderheit wäre fähig, sich etwa zwei Wochen über Wasser zu halten. Aber irgendwie will man das alles einfach noch nicht wahrhaben, plötzlich, unerwartet, in so einer Welt leben zu müssen! In einer, wo gut zu leben plötzlich bedeutet, auf das Schlimmste gut vorbereitet zu sein.
Das Leugnen oder Beschwichtigen der Bedrohung mag als psychische Abwehrreaktion auf diese hässliche, neue Welt verständlich sein. Um die Situation zu unseren Gunsten zu verändern, müssten wir sie allerdings vorher so akzeptieren, wie sie ist.
Der große Technikphilosoph Günther Anders (1902-1992) mahnte in seinen Schriften eindringlich und beharrlich vor der Gefahr menschlicher Zerstörungskraft. Mit der Erfindung der Atombombe wurde die menschengemachte Apokalypse zu einer realen Möglichkeit und zum festen Bestandteil unserer verstörenden Geschichte. Nach Ende des „Kalten Kriegs“ in den Hintergrund gedrängt, drängt sich die Möglichkeit des Weltuntergangs wieder ins Bewusstsein.
Welche Haltung sollen wir der Apokalypse gegenüber einnehmen: kollektive Verdrängung, Koketterie oder innere Wehrhaftigkeit? Letzteres, so Günther Anders, denn Apokalyptiker sollten wir ausschließlich sein, um unrecht zu bekommen. Ausschließlich, um an jedem Tag neu die Chance zu genießen, als die Blamierten dazustehen.
Lisz Hirn ist Philosophin, Publizistin und Dozentin mit philosophischer Praxis in Wien.
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