Arbeitslosigkeit bekämpfen statt Arbeitslose bestrafen

ARBEITSKLAUSUR DER BUNDESREGIERUNG: WIEDERKEHR / SCHUMANN / HATTMANNSDORFER
Die neue Zuverdienstgrenze trifft jene Menschen, die ohnehin schon leiden. Ein Gastkommentar von Barbara Blaha.

Die Regierungsklausur wäre eine wichtige Gelegenheit gewesen, die zunehmende Langzeitarbeitslosigkeit mit mutigen Reformen zu bekämpfen. Aktuell sind knapp 132.000 Menschen mehr als ein Jahr ohne Job – ein neuer Höchststand seit April 2022. Fast jede:r dritte Arbeitslose gehört inzwischen zur Gruppe der Langzeitbeschäftigungslosen. Anstatt beherzt einzugreifen, setzt die Regierung erneut Maßnahmen, die zusätzliche Härten bedeuten.

Die beschlossene Einschränkung des geringfügigen Zuverdienstes trifft vor allem jene, die ohnehin schon massiv unter der angespannten Arbeitsmarktsituation leiden. Anstatt Arbeitslose weiter unter Druck zu setzen, wären nachhaltige Lösungen gefragt: gezielte Qualifizierungs- und Beschäftigungsprogramme in Zukunftsbranchen wie Pflege, öffentlicher Verkehr und erneuerbare Energien. Diese Maßnahmen könnten sowohl die Langzeitarbeitslosigkeit effektiv senken als auch unsere Wettbewerbsfähigkeit in klimasozialen Technologien stärken.

Arbeitslosigkeit bekämpfen statt Arbeitslose bestrafen

Barbara Blaha

Hinzu kommt, dass ältere Arbeitnehmer:innen – besonders Frauen – nachweislich diskriminiert werden. Aktuelle Studien zeigen eindeutig, dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit steigendem Alter dramatisch sinken, was nicht an mangelnder Qualifikation, sondern an hartnäckigen Vorurteilen liegt. So erhalten ältere Arbeitslose um bis zu 50 Prozent weniger Einladungen zu Vorstellungsgesprächen: Für jeweils zehn zusätzliche Lebensjahre sinkt die Rate der Rückrufe um rund fünf Prozent. Besonders dramatisch ist die Situation für Menschen nahe dem Pensionsantrittsalter: Hier liegt die Rate der Rückrufe bei nur noch 2 bis 3 Prozent. Gerade für Frauen verschlechtert sich die Lage mit zunehmendem Alter drastisch: Ihre Chancen sinken schneller als bei Männern und Altersdiskriminierung zieht sich durch alle Branchen. Arbeitgeber:innen führen als Gründe häufig stereotype Annahmen an, wonach Ambition, Flexibilität und Lernfähigkeit mit steigendem Alter abnehmen würden. Gerade vor dem Hintergrund der bevorstehenden Erhöhung des Frauenpensionsalters sind Unternehmen dringend gefordert, ihre Rekrutierungsprozesse kritisch zu reflektieren und aktiv gegen Altersdiskriminierung vorzugehen.

Zusätzlich verschärft sich die soziale Lage vieler Betroffener zunehmend. Mittlerweile ist jede:r dritte Arbeitslose armutsgefährdet, bei Langzeitarbeitslosen sogar jede:r zweite. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld liegt mit 1.091 Euro rund 300 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle. Das Arbeitslosengeld verfehlt sein eigentliches Ziel für Menschen in prekären Lagen: die Existenzsicherung.

Die Erfahrungen aus dem erfolgreichen Pilotprojekt „Arbeitsplatzgarantie Marienthal“ könnten hier wegweisend sein: Eine garantierte Beschäftigung verbesserte die Lebensbedingungen der Betroffenen nachhaltig und schuf Perspektiven – psychisch, sozial und finanziell. Jetzt wäre der Mut gefragt, eine Jobgarantie für ganz Österreich auszurollen, statt Verschärfungen auf dem Rücken der Arbeitslosen zu beschließen.

Barbara Blaha leitet das ökosoziale gewerkschaftsnahe Momentum Institut.

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