Achten wir wieder mehr auf die Regeln des Zusammenlebens!

Achten wir wieder mehr auf die Regeln des Zusammenlebens!
Die guten Sitten haben einen tieferen Sinn. Das Verständnis dafür scheint verloren. Ein Gastkommentar von Klaus Atzwanger.

Vielleicht werde ich einfach alt. Ich erinnere mich noch, als es mir als Kind seltsam vorkam, wenn die Elterngeneration den Verfall der Regeln und Sitten in der Gesellschaft diskutierte. Und daher ist es möglicherweise auch ein Wahrnehmungsthema und ich bin inzwischen ein alter weißer Mann, der meint, früher wäre manches besser gewesen?

Andererseits: Regeln des Zusammenlebens wurden von allen menschlichen Gesellschaften seit der Evolution des Menschen entwickelt, um ein gedeihliches Zusammenleben in sozialen Gruppen zu ermöglichen. Und wie bei allen Ergebnissen und Resultaten der Evolution gilt eben auch im Verhalten: Individuen und Gesellschaften, die sich mit ihren Verhaltensweisen durchgesetzt und mit Regeln im Zusammenleben ausgestattet haben, waren erfolgreicher als andere. Regeln des sozialen Zusammenlebens sind daher eine evolutionspsychologische Konstante, und es hat daher einen tiefen Sinn, wenn wir diese auch einhalten.

Achten wir wieder mehr auf die Regeln des Zusammenlebens!

Klaus Atzwanger

Die Beispiele für Regelverletzungen zuungunsten von uns allen sind vielfältig. Ob jemand in zweiter Spur mit dem Pkw hält, um auszusteigen oder auszuladen, und damit die Straßenbahn minutenlang behindert, oder ein Radfahrer an einem Fußgänger so knapp vorbeifährt, dass diese erschrickt, beides ist weder erlaubt noch höflich. Beides verletzt Regeln des Miteinanders.

Die Verschmutzung der Straßen durch das gedankenlose Wegwerfen des eigenen Mülls, obwohl die Stadt vorbildlich Mistkübel an allen Ecken aufstellt, und die Straßenreinigung in Wien meist tadellos funktioniert, ist nicht zu übersehen. „Schau auf Dein Hood“, möchte ich jenen Mitmenschen zurufen, die offensichtlich die ganze Stadt als einzigen Mistkübel verstehen.

Oder auch der Theater- oder Kinobesucher, der während der Aufführung Fotos und Videos mit dem Handy schießt, obwohl die Produktionsleitung deutlich und eindringlich auf die Verletzung der Urheberrechte hinweist. Der Egoismus des eigenen social media Accounts wird vor die gesellschaftlichen Regeln gestellt.

Es ist leider modern geworden Regeln zu missachten, sich darüber hinwegzusetzen und so zu tun, als ob der eigene Status es erlaubt, die Regeln, die unser aller Zusammenleben angenehmer und besser machen, einfach punktuell zu ignorieren. „Sei doch nicht so kleinlich und spießig“ bekomme ich zu hören, wenn ich darauf aufmerksam mache und eingreife.

Das Verständnis, dass das soziale Zusammenleben besser funktioniert, wenn wir uns einerseits in Toleranz üben, und andererseits aber die aufgestellten Regeln des Zusammenlebens beachten, scheint verloren. Dass dies letztlich zu einer Verrohung der Gesellschaft und damit zu einem Nachteil für alle beiträgt, scheint den wenigsten klar zu sein, wenn sie sich ihre sogenannten Freiheiten herausnehmen.

Muss das so sein? Auch unsere Lernfähigkeit bis ins hohe Alter ist ein Evolutionserfolg. Mögen wir bitte daran denken und arbeiten.

Klaus Atzwanger ist Verhaltenswissenschaftler und Unternehmensberater.

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