Französische Leuchtfeuer

Politiker, welche das Thema Migration auf die Agenda setzen, sehen sich schnell mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden damit nur ein „rechtes Narrativ“ bedienen. Probleme und Defizite rund um die Integration anzusprechen, zahle letztlich nur „auf das Konto der Rechtspopulisten“ ein, heißt es oft.
Zuletzt wurde Außenminister Alexander Schallenberg in der ORF-Pressestunde seitens der befragenden Journalisten mit solchen Vorhaltungen konfrontiert: von „Aufbauschen“ war da die Rede, und dass die Menschen doch „zum Schmied und nicht zum Schmiedl“ gingen. Auch einschlägige Aktivitäten von Integrationsministerin Susanne Raab sind nicht selten zumindest süffisant kommentiert worden. Etwa ihre Fact Finding Missions nach Dänemark oder Frankreich.
Dort eskalierte nun just während ihres Besuchs unversehens die Gewalt in den berüchtigten Banlieues. Ausgelöst durch einen Schuss, mit dem ein Polizist bei einer Verkehrskontrolle einen algerischstämmigen 17-Jährigen tötete. „Wenn wir mitten in Europa Viertel haben, wo es nicht mehr möglich ist, sie zu besuchen, ist das eine sehr erschütternde Sachlage“, erklärte Raab angesichts der außer Rand und Band geratenen Ereignisse.
Dass es – nicht nur in Frankreich – solche Viertel gibt, ist indes längst bekannt. Und wird gerne verdrängt, weil man ja – siehe oben – keine „rechten Narrative“ bedienen und den „Rechtspopulisten“ nicht in die Hände spielen will. Bis wieder irgendwo die Lage explodiert und die Verhältnisse zur Kenntlichkeit entstellt erscheinen.
Schnell ist hier immer auch ein anderes, „linkes“ Narrativ zur Stelle: jenes von sozialen Spannungen, Ausgrenzung, Unterprivilegierung, Rassismus. Der französische Philosoph Pascal Bruckner meint hingegen in einem (in der Welt auf Deutsch erschienenen) Interview mit dem Figaro: Es handle sich um eine „perfekt koordinierte Dramaturgie, bei der die Randalierer auf ein Drehbuch reagieren, das bereits seit mindestens 2005 geschrieben wurde“. Hier vermischten sich „die Anliegen des Drogenhandels mit einer Ablehnung des französischen Staates und seiner Institutionen und einem nihilistischen Taumel“. Und er kritisiert Intellektuelle und Künstler, welche mit dem Mob auf den Straßen sympathisierten.
Wer solches artikuliert, verstößt freilich massiv gegen das strikte Gesinnungsreglement des öffentlichen Diskurses. Dessen Protagonisten sich über ihren dramatisch fortschreitenden Glaubwürdigkeitsverlust wundern und diesen dann noch lauthals als Gefährdung von Demokratie und Rechtsstaat beklagen. Die Fähigkeit und Kraft, hier entschlossen dagegenzuhalten, ist, so scheint es, der bürgerlichen Mitte weitgehend abhandengekommen.

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