Familienpolitik mit neun Kindern

LANDESHAUPTLEUTEKONFERENZ IN ANDAU: KAISER/LUDWIG/DREXLER/STELZER/WALLNER/DOSKOZIL/MIKL-LEITTNER/MATTLE/HASLAUER
Die von Ministerin Raab definierten Ziele zum Ausbau der Kinderbetreuung sind so schwammig, dass das nach hinten losgehen könnte.
Bernhard Gaul

Bernhard Gaul

Wie wichtig für die Zukunft des Landes die aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen sind, kann gar nicht oft genug betont werden. Bisher wirkten die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern fast wie die Diskussion in einer Familie über das Taschengeld der neun Kinder. Manche haben mehr, manche weniger Bedürfnisse, aber im Endeffekt ist für die Eltern das ausbezahlte Taschengeld vor allem einmal: unkontrollierbar futsch.

Manchmal ist der vertikale familiäre Finanzfluss auch an Bedingungen gebunden, wie Zimmeraufräumen, Geschirrspülerein- und -ausräumen, Rasenmähen, Gassigehen oder neuerdings Limits bei der Handy-Bildschirmzeit.

Derzeit sind wir in der Hochphase so einer vertikalen Verteilungsverhandlung, es geht beim Finanzausgleich aber nicht um ein paar Euromünzen, sondern um zusätzliche zehn Milliarden Euro über die kommenden fünf Jahre. Und statt Rasenmähen und Gassigehen verlangt das Gegenüber der neun Landeshauptleute, Finanzminister Magnus Brunner, „selbstverständlich auch Reformen“, etwa bei der Pflege, der Gesundheitsversorgung oder, ganz neu, bei einer besseren Kinderbetreuung.

Besonders das Thema Kinderbetreuung ist seit drei Wochen ein großes Anliegen der ÖVP, auch wenn das scheinbar unbemerkt seit Jänner 2020 im türkis-grünen Koalitionsvertrag steht (Seite 169). Dort steht übrigens auch etwas von „mittelfristig 2. Kindergartenjahr verpflichtend“ (Seite 195), aber das bleibt wohl in der Schublade mit der Aufschrift „politische Kalauer“.

Die Herausforderung könnte größer und dringlicher kaum sein, es geht ja eigentlich um eine (Re-)Aktivierung der oft gut ausgebildeten Mütter für den Arbeitsmarkt. Fakt ist, dass nur ein Drittel der unter Dreijährigen überhaupt in Betreuung ist. Aber auch bei den 3- bis 6-Jährigen ist nicht einmal jeder zweite Kindergartenplatz VIF-konform, gemeint ist damit eine Kinderbetreuung, die mit einem Vollzeitjob der Eltern vereinbar ist (Vereinbarkeitsindex für Familie und Beruf).

Die Regierung will bis 2030 rund 50.000 neue, VIF-konforme Betreuungsplätze schaffen, in allen Altersgruppen. Dass von den bestehenden 126.000 Plätzen der 3- bis 6-Jährigen wie erwähnt nur 49,6 Prozent VIF-konform sind, somit etwa 63.000 Plätze eben nicht, lässt nicht nur Fachkundige an der Ernsthaftigkeit der politischen Ansage zweifeln.

Familienministerin Raab hat bisher nur als Ziel genannt, VIF-konforme Plätze schaffen zu wollen. Gruppengröße, Bezahlung, und wer profitieren soll, werde alles Teil der Verhandlungen mit den neun Landeschefs sein. Es bleibt also schwammig.

Also nicht wundern, wenn am Ende weder die Zimmer aufgeräumt sind, noch der Geschirrspüler leer ist, und der Hund sich schon wieder im Wohnzimmer erleichtert.

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