Fakten statt Bauchgefühl
Sollten wir nicht, statt stets in Panik zu verfallen, auch manchmal jubeln?
Postfaktisch ist das Wort des Jahres. Ein guter Anlass, um so manches "faktisch" richtigzustellen, was in den letzten Jahren mit mehr Emotion als Sachverstand diskutiert wurde. Zum Beispiel: Die industrielle Landwirtschaft tötet Bienen. Oder: Arme werden immer ärmer. Wenn das die wirklich glaubwürdigen Institutionen – von NGOs bis zu Boulevardmedien – behaupten, dann wird es ja wohl wahr sein.
Oder doch nicht? Sang- und klanglos ist eine Untersuchung der Wiener Veterinärmedizinischen Uni untergegangen, die bereits im November belegte, dass das Bienensterben nicht schlicht nur durch Spritzmittel zu erklären ist, sondern viele andere Faktoren hat. Weil daraus aber niemand Kapital schlagen kann, blieb die Resonanz aus.
"Gut": Mehr Lehrer
Hinterfragen wir doch Binsenweisheiten, etwa: Mehr Lehrer machen Kinder klüger, mehr Ärzte fördern die Gesundheit. Stimmt beides nicht, Österreich liefert den empirischen Beweis dafür. Laut Statistik Austria ist die Zahl der Lehrer (in Vollzeitstellen gerechnet) seit 2012/’13 um 1500 auf 106.500 gestiegen, während die Zahl der Schüler gleichzeitig um 18.000 gesunken ist. Die höchsten Lehrerzuwächse hatten übrigens Volks- und Neue Mittelschulen. Doch die Bildungsstudien weisen uns ganz eindeutig immer miesere Ergebnisse aus. In der Ärztedichte wiederum liegt Österreich international im oberen Drittel, gehört aber nicht zu den zehn Ländern, wo man am längsten lebt (Japan ist Nummer eins).
"Böse": Autofahren
Oder: Nichts ist so gesundheitsschädlich wie Autoverkehr und Fleischessen, stimmt? Nicht unbedingt. Die Silvesterknallerei setzt an einem einzigen Tag im Jahr wahrscheinlich so viel Feinstaub frei, wie der gesamte Kfz-Verkehr eines Jahres. Das hat der Verein für Kraftfahrzeugtechnik am Donnerstag vorgerechnet. Auch wenn das Umweltbundesamt die Zahlen bezweifelt, regen sie doch zum Nachdenken an.
Auch Kaminfeuer und Holzöfen produzieren ja mehr Feinstaub als der Verkehr, sagt der deutsche Lebensmittelchemiker Udo Pollmer. Und nebenbei bemerkt ist das romantische Feuerchen im Zimmer auch ungefähr so (wenig) krebserregend wie ein Paar Frankfurter – erinnern Sie sich noch an die WHO-Studie, die 2015 die Wurst unter Krebsverdacht stellte? Aber wer warnt vor Kaminfeuer und Silvesterkrachern? Oder vor veganem Essen, das meist gesundheitsschädlicher und sicher weniger regional ist als echte Wurst?
Und sollten wir nicht überhaupt, statt stets in Panik zu verfallen, lieber darüber jubeln, dass die Österreicher seit 1995 nachweislich viel weniger Luftschadstoffe (außer CO2) ausgestoßen haben?
Dass energiesparende Geschirrspüler ein Fortschritt sind, muss hingegen erst bewiesen werden: Die neuen Geräte waschen bei niedrigeren Temperaturen deutlich länger. Unangenehmer Nebeneffekt: Keime können sich besser halten. Wir warten auf einen ehrlichen, öffentlichen Faktencheck!
Dafür ist in Sachen Wohlstand weltweit wirklich etwas weitergegangen: Lebten 1999 laut Weltbank noch fast ein Drittel der Menschen in extremer Armut, sank dieser Wert zuletzt auf unter zehn Prozent. Tja, Fakten sind oft nicht so aufregend. Dafür haben sie den unschätzbaren Vorteil zu stimmen.
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