Es ist Zeit für eine neue Debattenkultur

Martina Salomon
Die Abwertung Andersdenkender ist zum Volkssport geworden. Was tun gegen Hass im Netz (und anderswo)?
Martina Salomon

Martina Salomon

Diese Woche haben wir eine „tiefschürfende“ Erkenntnis gewonnen: Selbst Grüne ernähren sich nicht nur von Tofuschnitzel und Mandelmilch. Der Vizekanzler wurde beim Burger-Essen (!) in einem Fast-Food-Lokal (!) einer US- Kette (!) erwischt. Aber: Hat Werner Kogler irgendwo gefordert, Rindfleischlaberl-Ketten zu boykottieren? Fliegt McDonald’s Österreich Rindfleisch aus Übersee ein? Zweimal nein (das Rindfleisch ist regional). Andererseits darf sich eine Gruppe, die sich oft moralisch über andere erhoben hat, nicht wundern, selbst im Zentrum einer medialen Windhose zu landen.

Was aber nicht heißt, dass man einen aggressiven Hurrikan (wie im Fall von Justizministerin Alma Zadić) als Politiker halt aushalten muss. Also her mit neuen Gesetzen? Nicht unheikel, weil das Recht auf freie Meinungsäußerung heilig ist. Die Regierung verspricht immerhin die Stärkung des Opferschutzes und schlägt eine Ermittlungspflicht statt Privatklagen bei Hasskriminalität im Netz vor.

Zadić selbst wurde (nicht rechtskräftig) zu einer Entschädigungszahlung verurteilt, weil sie auf Twitter das Foto eines Burschenschafters plus den Text „Keine Toleranz für Neonazis, Faschisten und Rassisten“ veröffentlicht hatte. War das am Rande der Donnerstagsdemo ein Hitlergruß, oder hat er nur Freunden zugewunken, wie der Abgebildete behauptete – und klagte? Die nunmehrige Justizministerin ist in Berufung gegangen.

Der Grat, ab wann Beleidigungen strafrechtlich relevant sind, ist schmal. Kanzler Sebastian Kurz wurde zum Beispiel von einer Stadtzeitung, deren Bedeutung im sozialen Netz umgekehrt proportional zu ihrer realen Reichweite steht, mit der Bezeichnung „Neofeschist“ bedacht. Der sonst recht heikle Presserat sah darin erstaunlicherweise kein Problem. Bei der Politik geht man von einer höheren Dosis des Zumutbaren aus.

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