Dass auch der Westen mit Russland mittlerweile im Krieg ist, ist nicht mehr zu leugnen. Der deutsche Minister Karl Lauterbach hat es am Sonntag erstmals auf Twitter auch so ausgesprochen. Putin greift zur wirtschaftlichen Waffe Energie. Zuletzt ordnete er einen Stopp der Gaslieferungen nach Italien an, wieder unter einem fadenscheinigen Vorwand. Dass die Beschädigungen der Nord-Stream-Pipelines russische Handschrift tragen, ist zwar nicht bewiesen, aber glaubhaft (es gibt auch Hinweise der US-Geheimdienste auf ukrainische Sabotageakte). Aber auch an den Vergiftungen regimekritischer Politiker oder Spione und an den letzten mysteriösen Todesfällen prominenter Russen war ja nie die Führung in Moskau schuld. Und doch scheint sich langsam Widerstand gegen das Regime Putins zu formieren. Es gibt mittlerweile zum Teil offen ausgesprochene Kritik an der militärischen Führung und an Putins politischer Einmischung. Das Land ächzt unter den westlichen Sanktionen, die stärker wirken als uns bekannt ist. Und durch die Teilmobilisierung von 300.000 jungen russischen Soldaten ist der Krieg – pardon: die Spezialoperation, Krieg darf es ja nicht heißen – in jedem Haushalt des Landes angekommen. Eltern und Geschwister zittern um ihre Söhne, diese vor einem Schicksal, wie es ihre Vorfahren in Afghanistan erlitten haben, als nach zehn Jahren erbittertem Krieg gegen ein wehrhaftes Land zwischen 15.000 und 25.000 Soldaten (und damit fast jeder fünfte dort Stationierte) der Roten Armee starben.
Das alles ist noch keine Wende im Krieg, noch kein bevorstehender Sturz des Moskauer Diktators, noch kein „Wind of Change“. Papst Franziskus formulierte am Sonntag einen frommen Wunsch nach Frieden und wandte sich an beide Staatschefs, aufeinander zuzugehen. An Putin gerichtet sagte Franziskus, dieser solle die „Spirale der Gewalt und des Todes“ aus „Liebe für sein eigenes Volk“ beenden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij solle wiederum jedem „ernsthaften Friedensvorschlag“ offen gegenüberstehen. Es bleibt leider zu befürchten, dass das für längere Zeit ein Wunsch bleibt.
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