Um das zu unterstreichen, ein kleines Gedankenexperiment. Stellen wir uns die Geschichte kurz unter umgekehrten Vorzeichen vor: Ein auf Servus TV als objektiver Hochrechner und Wahlanalyst auftretendes Institut entpuppt sich ungewollt als sich der ÖVP andienender Wahlkampfhelfer. Die selbsternannten Hüter der öffentlichen Diskursmoral würden sich nicht mehr einkriegen vor Empörung und ihre schönsten Betroffenheitsmienen aufsetzen, einschlägige Blasen sich gewaltig aufblähen …
Der Leak des SORA-Strategiepapiers, welches die SPÖ durch das Wahljahr 2024 führen und ihr letztendlich wieder zur Kanzlerschaft verhelfen soll, ist von ausgesuchter Peinlichkeit. Auch wenn es offenbar kein im Auftrag der SPÖ erstelltes Papier war, gibt es doch Einblick in die schlichte linke Schwarz-Weiß-Denkwelt: Liebe gegen Hass, Verheißung vs. Verdammnis (steht tatsächlich so drinnen und wird mit Gemälden illustriert!), Blockade gegen Fortschritt in eine lichte Zukunft.
Das „Einer von euch“, als der Andreas Babler positioniert werden soll, erinnert hart an das freiheitliche „Sie sind gegen ihn. Weil er für euch ist“ von Jörg Haider, später von Heinz-Christian Strache kopiert. Wie sehr wurde das doch seinerzeit von Kommentatoren, Staatskünstlern etc. unter das Verdikt von Kitsch bis Führerkult gestellt.
An der Überparteilichkeit von SORA konnte man freilich auch bisher schon seine Zweifel haben. Daher fügt sich trotz der jetzt aufgekündigten Kooperation die aktuelle Causa in ein Bild des politmedialen Österreich, das nun einmal ganz wesentlich vom ORF geprägt ist. Einmal mehr wurde einem hier manch tendenziöse Schieflage der öffentlich-rechtlichen Anstalt auf dem Küniglberg bewusst (die sich ja etwa auch im Deutungsmonopol der immergleichen Politologen an „Runden Tischen“ oder nach „Sommergesprächen“ manifestiert). Und einmal mehr mag man sich fragen, was die ÖVP geritten hat, ebendiesem ORF weiterhin die Stange zu halten und künftig alle zu dessen Finanzierung zu verpflichten (was für die anderen Medien in einer ohnedies dramatischen Umbruchsituation eine zusätzliche schwere Belastung darstellt).
Gäbe es jemanden in der Kanzlerpartei, der sich mit Medien befasst, vielleicht sogar von Zeit zu Zeit ein Radio oder einen Fernseher aufdreht: Er oder sie hätte dann möglicherweise am Dienstag die ausführliche Berichterstattung über die „Glaub an Österreich“-Kampagne der ÖVP gesehen und den notorisch hämischen Unterschleif – in Mimik, Gestik, Wording, Auswahl der Gesprächspartner – bemerkt. ORF „für dich und mich und alle“ eben.
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