Ein paar Fragen zur Entlastungsoffensive

Die Regierung buttert Hunderte Millionen in Teilzeit, Sie sollte zumindest auch Vollzeit-Anreize setzen.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

In dem Ministerratsvortrag, den die Regierung zum Abschluss ihrer Klausur beschlossen hat, steht: „Ab 2020 werden geringverdienende Arbeitnehmer, Pensionisten, Bauern und Selbstständige durch eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge entlastet.“ Die Genannten „werden im Ausmaß von rund 700 Millionen Euro profitieren“.

Laut Statistik Austria fallen 2,3 Millionen Personen in die Kategorie von „Geringverdienern“, die keine Steuern zahlen: Das ergibt im Durchschnitt 300 Euro pro Person und Jahr.

Die Pensionisten, Selbstständigen und Bauern kommen 2020 erstmals in den Genuss einer solchen Beitragssenkung, die 1,2 Millionen betroffenen Arbeitnehmer jedoch binnen zwei Jahren zum zweiten Mal.

2018 hat ihnen Türkis-Blau schon die Arbeitslosenversicherung teilweise erlassen.

Nun sei es jeder einzelnen Person von Herzen gegönnt, wenn ihr mehr zum Leben bleibt. Doch einige prinzipielle Zweifel an dieser Aktion müssen erlaubt sein. Bei den Arbeitnehmern handelt es sich fast durchwegs um Teilzeitkräfte, denn zum Glück verdient kaum eine Vollzeitkraft so schlecht, dass sie unter die Steuerfreigrenze fällt. Die Regierung buttert Hunderte Steuermillionen in schlecht bezahlte Teilzeitarbeit mit Aussicht auf Mini-Pensionen. Sie müsste zumindest auch Anreize für Vollzeit schaffen.

Dann wäre da noch der Aspekt der Gerechtigkeit. Etwas polemisch könnte man sagen: Die Vollzeit-Hackler kriegen die 60-Stunden-Woche. Und die kalte Progression, die wirklich ein Leistungshemmnis ist, wird auch von dieser Regierung nicht abgeschafft.

Lohnnebenkosten senken

Und noch ein kritischer Gedanke in diesem Zusammenhang: Ist es sinnvoll, Gesundheitsleistungen tendenziell zu „verschenken“, indem man sie nicht durch Beitragszahlungen erwirbt, sondern einfach vom Steuerzahler bekommt? Das Gesundheitsbarometer im Auftrag der Ärztekammer zeigt, dass 60 Prozent der Versicherten gern die Krankenversicherung bezahlen, nur 30 Prozent sind für Beitragssenkungen.

Man könnte Kleinverdienern vielleicht besser helfen, indem deren Arbeitgeber von Lohnkosten wie Kommunalabgabe, Wohnbauförderung, Familienfonds etc. befreit werden, und, paritätisch, die Hälfte des Entlastungs-Effekts in höhere Kollektivvertragslöhne fließt.

Leistungsförderung und gegen einen Gratis-Versorgerstaat – das waren immer klassische ÖVP-Positionen. Erhebt sich die Frage: Warum diese Kehrtwende?

Die Antwort ist eine echte Pointe: Türkis-Blau fürchtet sich vor der SPÖ. Wegen des Etiketts der sozialen Kälte verlor Wolfgang Schüssel 2006 das Kanzleramt – für Sebastian Kurz immer noch ein Schrecknis. Dass ausgerechnet die fußmarode SPÖ Türkis-Blau derart beeindruckt, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Wenigstens ihre Tugend, Geschenke ans Wahlvolk nicht mit Schulden zu finanzieren, hat die ÖVP noch beibehalten.

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