Die Zeiten ändern sich – endlich

Wenn es um wortreiche Erklärungen geht, dann sieht der rote Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker meist seine Stunde gekommen. Diesmal tat er sich allerdings ungewohnt schwer, als er am vergangenen Freitag in der ZIB2 begründen musste, warum die Stadtregierung plötzlich im Flüchtlingsbereich – vor allem bei den subsidiär Schutzberechtigten – den Sparstift ansetzt. Immerhin werden in Zukunft statt rund 1.200 nur noch etwas mehr als 400 Euro an diese Menschen ausbezahlt.
Hacker war bisher immer im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern trotz heftiger Kritik anderer Parteien für diesen sozialeren Weg eingetreten. Jetzt muss auch er die Reißleine ziehen.
Im Gespräch mit Martin Thür versuchte er, den Schwenk mit mehr Integrationsaufgaben für den Bund abzufedern. Ehrlicherweise hätte er sagen müssen: Die Bundeshauptstadt kann sich diesen eigenwilligen Kurs einfach nicht mehr leisten. Bürgermeister Michael Ludwig muss mit seiner rot-pinken Stadtregierung einen Sparkurs fahren, um das Budget zu sanieren. Und er tut es auch. Da ist für Ideologie kein Platz mehr, da zählen beinhart nur noch die blanken Zahlen.
Ein ähnliches Aufbrechen von Tabus erleben wir derzeit auch auf anderen Ebenen. Erstmals wird von einigen Landeshauptleuten öffentlich in den Mund genommen, dass sie bereit wären, im Gesundheitsbereich Kompetenzen abzugeben. Bis hin zu der Ansage, dass in Zukunft Kliniken zentral von Wien aus koordiniert und natürlich auch finanziert werden. Klarerweise ist das leichter gesagt als umgesetzt. Die unterschiedlichen Landesstrukturen auf eine gemeinsame Bundeslinie zu bringen, ist eine Mammutaufgabe. Auf der anderen Seite wäre dem derzeit unerfreulichen Umgang mit Gastpatienten der Boden entzogen. Genauso wie dem Lohnkosten-Wettstreit der Länder, wenn es um Ärzte und Pflegepersonal geht.
Bis Ende 2026 haben sich Bund, Länder und Gemeinden Zeit gegeben, all diese Strukturreformen zu fixieren. Die Art und Weise, wie derzeit relativ pragmatisch mit den Themen umgegangen wird, nährt die Hoffnung, dass diesmal tatsächlich der große Wurf gelingen könnte. Selbst der steirische FPÖ-Landeshauptmann Mario Kunasek, der noch bis Ende des Jahres Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz ist, hat bisher in Interviews nicht den großen Widerstand angekündigt. Ganz im Gegenteil, wie seine Rede vor dem Bundesrat dokumentiert.
Selten zuvor war man sich über alle Ebenen hinweg so einig, dass es große Strukturreformen geben muss. Selten zuvor waren auch die Erwartungen der Öffentlichkeit so groß. Ein Scheitern der Gespräche wie beim seinerzeitigen Verfassungskonvent wäre ein Desaster – für alle Beteiligten.
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