Nun stellt sich Bundeskanzler Nehammer hin und sagt der Kronenzeitung: „Es wird keine geheimen Sideletters mehr geben.“ – Wie bitte? Warum dann nicht gleich Koalitionsverhandlungen künftig live streamen? Es geht ja schließlich um Transparenz, nicht wahr …
„Es muss allen klar sein, dass geheime Absprachen das Vertrauen in die Politik beschädigen“, begründet der Kanzler seinen Vorstoß. In Wahrheit beschädigen freilich populistische Ad-hoc-Aussagen wie die oben zitierte das Vertrauen in die Politik viel mehr. Jeder, dem halbwegs klar ist, wie Macht – und zwar auch positiv verstanden – funktioniert, weiß, dass es ohne nichtöffentliche, also „geheime“, Absprachen nicht geht. Dass also die Vorstellung absoluter Transparenz nicht nur illusorisch ist, sondern das Ende jedweder Führungstätigkeit – nicht nur in der Politik übrigens, sondern ebenso in Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Religionsgemeinschaften.
Eng in Zusammenhang mit der Illusion totaler Transparenz steht jene der „Entpolitisierung“. Wie immer man es dreht und wendet, welche Konstruktionen man sich einfallen lässt, welche Zwischenebenen man einziehen mag – in staatsnahen Bereichen werden stets jene das Sagen haben, welche den gerade aktuellen Repräsentanten des Staats, also der jeweiligen Regierung, nahe sind. Daher gibt es etwa auch keinen Grund, über die jüngst getätigte Aussage von Ex-ORF-Chef Wrabetz, wonach es „Gespräche zu Leitungsfunktionen gegeben“ habe, „bei denen man sich teilweise auf Positionen verständigt“ habe, sonderlich erstaunt zu sein.
Wenig erstaunt kann man auch darüber sein, dass Werner Kogler nun Druck auf Nehammer macht: Mit Sebastian Kurz sei ja (leider, leider) „vollumfängliche Transparenz“ nicht möglich gewesen, aber er freue sich, „dass in der Neuaufstellung der ÖVP die Türen wieder aufgehen“.
Konkret geht es hier zunächst um das Transparenzpaket, das tatsächlich weitgehend zwischen den Koalitionspartnern ausverhandelt ist (das war offenbar auch mit Kurz möglich). Die darüber hinausgehende Forderung Koglers, Nebenvereinbarungen für „unzulässig“ zu erklären, läuft jedoch – siehe oben – ins Leere. Nicht einmal innerhalb einer Partei, auch nicht der Grünen, kann es völlige Transparenz geben.
Und was die neu aufgestellte ÖVP betrifft, so muss diese darauf achten, dass sich die Türen zu künftigen Wahlerfolgen nicht alsbald wieder schließen.
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