Die Stunde der Frau

Die Stunde der Frau
Österreich hat eine Interims-Bundeskanzlerin. Warum das noch kein Grund zur Euphorie ist und was Frauen an die Spitze bringt.
Martina Salomon

Martina Salomon

Genau 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts hat Österreich eine Bundeskanzlerin. Eine Meldung, zu schön um wahr zu sein. Sie wird in Zeiten der Politikverdrossenheit noch besser: Wollen wir nicht ohnehin lieber von Experten, statt von Politikern regiert werden? Moment mal: Erstens herrscht in Österreich normalerweise   Gewaltenteilung zwischen Gesetzgeber, Gerichtsbarkeit und Verwaltung, und das ist auch gut so. Jetzt haben wir quasi ein monarchisches Modell: Der „Kaiser“ setzt eine Regierung ein, und alle jubeln. Zweitens: Eine demokratische Wahl hat in Österreich bisher weder eine Bundespräsidentin, noch eine Kanzlerin hervorgebracht. Präsidentschaftskandidatinnen gab es immerhin – gegen eine davon zogen SPÖ-Frauen mit dem Slogan „Frau sein allein ist nicht genug“ zu Felde. Unfeministisch, aber auch nicht falsch.

Nichts zu holen

Die unangenehme Wahrheit ist, dass Frauen oft erst dann zum Zug kommen, wenn Männer gerade nichts zu holen sehen, niemanden Starken an der Spitze brauchen oder eine Aufräumerin suchen. Pamela Rendi-Wagner konnte als Wissenschaftlerin, Sektionsleiterin, Ministerin komplizierte Sachverhalte gescheit und sympathisch kommunizieren. Aber wetten, es hätten sich dann doch ein paar Männer um den Job als SPÖ-Chef gerissen, wenn sie damals hoffen hätten können, bald einen Minister- oder gar den (Vize)Kanzler-Job zu erreichen?

Der KURIER hat das Geschlechterthema übrigens schon im Jänner aufgegriffen: Unter dem Titel „Wir sind gescheitert“ bildeten wir auf Seite 1 etliche Männer ab und setzten auf Seite 2 mit vielen Frauen mit dem Spruch „…und wir übernehmen“ fort. Darauf neben Rendi-Wagner unter anderem: Großbritanniens Noch-Premierministerin Theresa May, SPD-Chefin Andrea Nahles und Burgtheaterdirektorin Karin Bergmann.

Quasi „Trümmerfrauen“, die den Schutt beseitigen mussten, den ihre Vorgänger hinterlassen haben. Kandidatinnen mit geringer Aussicht, sich im Erfolg zu sonnen. Ist uns nicht auch allen noch der Satz „Susanne, geh du voran“ im Ohr? Jörg Haider, 2000 von der Protestwelle gegen Schwarz-Blau beeindruckt, überließ Susanne Riess-Passer das Vizekanzleramt und den Parteiobmannsessel – nicht ohne sie später immer wieder zu desavouieren.

Manchmal müssen Politikerinnen mit Sozialkompetenz reparieren, was vor ihnen angerichtet wurde: Innenministerin Liese Prokop nach Ernst Strasser oder Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic nach dem Missbrauchsskandal der Kirche. In heiklen Fällen schickt man sie ins Fernsehen oder setzt sie als Platzhalterin in Funktionen (Elisabeth Köstinger). Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen und soll keineswegs die bisher genannten Frauen kleinreden. Sie alle versuchten (und versuchen) das Beste aus der Situation zu machen, waren erfolgreich, haben eine gute Nachrede, stellen oft ihre Vorgänger in den Schatten (Christine Lagarde versus Dominique Strauss-Kahn etwa).

Natürlich gibt es genügend Frauen mit Zug zur Macht: von Maggie Thatcher bis Angela Merkel. (Das Satiremagazin Titanic titelte bei ihrer Kür übrigens respektlos: „Darf das Kanzler werden?“). In Österreich: Hertha Firnberg, Johanna Dohnal, Maria Schaumayer, Maria Rauch-Kallat. Und manchmal trifft es auch Männer, den Besen in die Hand zu nehmen und aufzukehren nach einer Frau, die – nach Intrigen zermürbt – resignierte. Siehe Werner Kogler bei den Grünen nach Eva Glawischnig.

Keineswegs sind Männer nur Täter, Frauen nur Opfer, das wäre eine lächerliche Behauptung. Oft genug sind es nicht die Männer, die Frauen blockieren, sondern Frauen wagen sich für einen Job an der Spitze nicht aus ihrer Komfortzone heraus. Vielleicht auch, weil sie ahnen, dass man ihnen weniger als einem Mann zutraut, es aus eigener Kraft geschafft zu haben – und weibliche Solidarität ein Fremdwort ist. Selbst mit sexistischen Untergriffen müssen sie noch immer rechnen.

Super-Job eigentlich

Übergangs-Kanzlerin Brigitte Bierlein muss jetzt in erster Linie aufpassen, dass alles verfassungsgemäß abläuft, wofür sie durch ihre bisherige Karriere prädestiniert ist. Sie kann keinem gefährlich werden, weil sie ohnehin in Pension geht. Sie muss (obwohl sie es tun wird) ihre Worte nicht auf die Goldwaage legen und mit niemandem streiten, weil sie keine Wahl gewinnen muss. Super-Job eigentlich. Ein Wunder, dass sich nicht ganz viele Männer darum gerissen haben.

Halt – darf man damit scherzen? Ja bitte, auf jeden Fall. Nur weil eine Frau an der Spitze ist (und wir jetzt im Wahlkampf sind) muss nicht Humorlosigkeit ausbrechen. Pammesberger, bitte übernehmen!

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