Die SPÖ, die Märkte und die Spekulation

Zu den zentralen sozialdemokratischen Überzeugungen gehört, dass der Markt kein Guter und Spekulation verwerflich ist. In der in unseren Breiten vorherrschenden Spielart des milden Sozialdemokratismus (die übrigens keineswegs auf sozialdemokratische Parteien beschränkt ist) räumt man zwar – mangels durchschlagenden Erfolgs der Planwirtschaft – ein, dass es ganz ohne Märkte (für die diversen Güter und Dienstleistungen) auch nicht geht. Aber diese müssen, um dem eiskalten Gespenst des Neoliberalismus’ entgegenzutreten, eingehegt und gezähmt werden, so gut es irgend geht. Natürlich von dazu berufenen professionellen Einhegern und Zähmern der politischen Elite, die im Unterschied zu den Märkten wissen, was gut ist für die Menschen.
Der eigenen Erzählung folgend, dürfte es demnach bei in sozialdemokratischem Geist geführten Unternehmen zu keinen Verwerfungen kommen. Wenn aber doch, dann hat man selbst nichts falsch gemacht, liegt es nicht an zu viel Politeinfluss, zu wenig unternehmerischer Freiheit – sondern an wild gewordenen, verrücktspielenden Märkten, an bösen Spekulanten, kurz am gnadenlosen Kapitalismus.
Das alles lässt sich sehr schön auch wieder am aktuellen Beispiel Wien Energie studieren. Wer da ein „Wien Energie-Thema“ hochziehen wolle, der wolle entweder „politisches Kleingeld daraus schlagen“ oder „kapiert die ganze Situation“ nicht, führte etwa SPÖ-Chefin Rendi-Wagner im ORF-Sommergespräch aus. Die „ganze Situation“ aber ist für Rendi „ein Strommarkt, der nicht mehr funktioniert in dieser Krise“. Auch Finanzstadtrat Peter Hanke machte am selben Abend in der ZiB 2 eine „Preisrallye“ sowie einen „vollkommen verrückten Strom- und Gasmarkt, der explodiert ist“, als Schuldige an der Misere aus. Und, natürlich, wurde „überhaupt nicht“ spekuliert.
Hier dürfte der Stadtrat der Selbstinfektion mit dem eigenen Schmäh erlegen sein: Wenn man seit jeher Spekulation als Inbegriff von Finanzhaien, die den Hals nicht vollkriegen können, darstellt, dann kann es natürlich in einem SP-nahen Unternehmen keine Spekulation geben. IHS-Chef Klaus Neusser sieht das ein wenig anders: Dass Energieversorger Termingeschäfte durchführten, sei völlig normal, sagte er, um lakonisch hinzuzufügen: „Und das ist natürlich ein Spekulationsgeschäft, weil das in der Zukunft liegt.“
Man könnte noch ergänzen, dass ohne Spekulation ökonomisches Handeln überhaupt nicht denkbar ist. Und zwar nicht nur jenes der oft zum Feindbild stilisierten Konzerne, sondern das jedes einzelnen, der sich überlegt, wann er was wo ein- oder verkauft. Aber so lange Spekulation der eigenen Sache dient, ist sie in der SP-Welt ja vermutlich in Ordnung. Und wenn es wieder einmal kracht, dann lässt man sich von jenen helfen, die man sonst verachtet.

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