Die neue Elternkarenz, ein Schmarrn
Wie viele weiße Raben sehen Sie an einem durchschnittlichen Arbeitstag? Nicht ganz so selten, aber nach wie vor eine Rarität sind hierzulande Männer, die in Karenz gehen.
Nur zwei von hundert Vätern unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit für längere Zeit, also für drei bis sechs Monate; gerade einmal einer von einhundert (!) bleibt länger als ein halbes Jahr in Karenz.
„Das muss sich ändern“, sagt – völlig zu Recht – die Regierung und plant eine neue Elternkarenz. Am Mittwoch ging die Begutachtungsfrist für das Gesetz zu Ende.
Für gewöhnlich sind politische Prognosen eine ausnehmend heikle Angelegenheit. Doch im vorliegenden Fall lässt sich klar sagen, was das neue Modell an der Situation der heimischen Jungfamilien ändern wird, nämlich: gar nichts!
Ein überspitztes, ja überhartes Urteil? Mitnichten. Die wesentliche Veränderung der neuen Karenz soll darin bestehen, dass es zu einem „22 plus 2“-Modell kommt. Soll heißen: Nur wenn beide Partner zumindest zwei Monate in Karenz gehen, bekommt die Familie die vollen 24 Monate Anspruch.
Die bittere Wahrheit ist: Österreichs Jungfamilien sind zwei Monate mehr oder weniger egal, der Anreiz ist lächerlich. Und das sagen nicht Erfahrung oder Bauchgefühl des Autors, sondern alle ernst zu nehmenden Interessenvertreter des gesellschaftspolitischen Spektrums, von wirtschaftsliberalen Thinktanks bis hin zur Arbeiterkammer.
Warum ist das Modell ein Schmarrn?
Nun, es berücksichtigt zu wenig, dass Eltern bei der Frage der Karenz von zwei existenziellen Fragen getrieben werden: Wie bleibt der Familie für Miete, Kredit und Lebenserhaltung möglichst viel Geld übrig, wenn ein Einkommen wegfällt? Und: Wann, wie und durch wen können die Kinder betreut werden, wenn einer oder später dann beide Eltern arbeiten?
Diese Probleme werden durch das „22 plus 2“-Modell nicht annähernd im Sinne der Betroffenen angegangen. Solange Männer in vergleichbaren Jobs deutlich besser verdienen als Frauen, müssen sich Familien aktiv dafür entscheiden, sich die Karenz des Papas leisten zu wollen. Und auch bei der Frage der Kinderbetreuung entscheidet meist das höhere Einkommen, wer in Vollzeit arbeitet und wer in Teilzeit bleibt, damit die Kinder nach Kindergarten und Schule zu Hause versorgt sind.
Was müsste geschehen? Seit Langem drängen ÖGB, Sozialpartner und Industriellenvereinigung auf einen Rechtsanspruch auf leistbare Kinderbetreuung.
Dieser würde viel Last von den Eltern nehmen, mehr Frauen Vollzeit und damit mehr Einkommen ermöglichen. Und wenn Männer und Frauen annähernd gleich gut verdienen, stellt sich die Frage, ob man sich als Familie die Väterkarenz leisten will, nicht mehr. Zumindest nicht aus rein finanziellen Gründen.
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