Die Lust am politischen Schreckgespenst

Die Lust am politischen Schreckgespenst
Die Bäume am politischen Rand wachsen nicht in den Himmel, auch wenn wir sie mit medialer Dauererregung fleißig gießen.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Sich zu fürchten, gehört zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen westlicher Wohlstandsgesellschaften. Wenn also – Gott sei Dank – keine echte Bedrohung am privaten oder politischen Horizont auftaucht, vertreiben wir uns gerne die Zeit mit Horrorfilmen, in der Geisterbahn – oder eben mit der Gefahr von links oder (derzeit überwiegend) von rechts außen.

Gerade hat Spanien über Wochen auf die rechtsnationalistische Vox-Partei gestarrt, die die Sozialisten geschickt als den politischen Gottseibeiuns inszeniert hatten. Die Konservativen würden sich von ihnen in die Regierung hieven lassen, und dann … Abkehr von Europa, Bürgerkrieg in Katalonien, Aufkündigung aller Frauenrechte. Jetzt sind am Ende gerade einmal zwölf Prozent herausgekommen – und ein politisches Patt, das Spanien mehr Kopfzerbrechen bereiten wird als die Schreihälse von der Vox.

Es ist ein wunderbar geöltes Räderwerk der Dauererregung, das auch von uns Medien gerne angestupst wird. Die Gefahr durch die Vox oder, uns etwas näher, die Rekord-Umfragedaten für die ähnlich gestrickte deutsche AfD – und natürlich auch die heimische Version dieser Geschichte, mit der Hauptfigur Herbert Kickl im Kanzleramt: Das alles gibt nicht nur eine gute und leicht fassliche Schlagzeile her, sondern bietet den politischen Schreckgespenstern selbst die große Bühne für ihre Auftritte. Da dürfen die Rechtspopulisten dann schlicht verklausulierte Drohungen gegen ihre Gegner ausstoßen, mit denen man dann schon Schlitten fahren werde, wenn es einmal so weit ist mit der Macht.

Das mit der Macht ist, wir Österreicher haben mit unserer FPÖ einschlägige Erfahrungen, meist von kurzer Dauer und endet mit politischem Katzenjammer. Bis dahin aber haben die Medien ihre Leserzahlen im Internet ein bisschen auffrisiert, die politischen Gegner können von ihren eigenen Fehlern und ihrer Konzeptlosigkeit ablenken, und die Schreckgespenster dürfen vor ihren Wählern laut „Huhu“ machen. So bekommen die zumindest das Gefühl, dass sich die anderen da oben vor ihrer Stimme für die … ganz entsetzlich fürchten. Und genau dafür ist diese Stimme ja eigentlich da.

Letztlich harmloses politisches Theater also? Leider nicht, denn die Spirale, die sich um diese Schreckgespenster vom politischen Rand dreht, lähmt inzwischen viele westliche Demokratien. Wenn sich die politische Debatte ständig um die immer gleichen Aufregerthemen und -typen dreht, verlieren wir die eigentlich wichtigen Themen aus den Augen. Dass etwa Spanien das Wasser ausgeht und man dringend Pläne gegen die drohende Dürre braucht, ließen alle Spieler im Wahlkampf gerne links liegen. Die Lösungen für dieses Problem könnten teuer und unbequem sein, da unterhalten wir die Wähler doch lieber mit Schreckgespenstern.

Porträt eines Mannes mit Bart vor dem Hintergrund des „Kurier“-Logos.

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