Die Lücken zwischen den Buchstaben des Gesetzes

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Ein Rechtsstaat ist zwar Grundlage jeder Demokratie. Es braucht aber auch politische Entscheidungsträger, die sich diesem Rechtsstaat verpflichtet fühlen.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Vom Gleichgewicht der Kräfte schwärmen Amerikaner gerne, wenn sie über ihre Demokratie sprechen. Perfekt ausbalanciert sei das Spiel zwischen Präsident, Kongress und Justiz, die einander unter Kontrolle hätten. Nun, Donald Trump hat dieses Gleichgewicht eigentlich seit Amtsantritt gefährlich ins Schlingern gebracht, ob er nun den nationalen Notstand ausrief, um seine Mauer zu bauen, oder ob das FBI eigens eine Sonderkommission ins Leben rufen musste, weil die Russland-Beziehungen des Präsidenten zumindest den Verdacht auf Hochverrat weckten.

Trumps neuer bester Freund dagegen, der britische Premier Boris Johnson, nützte einfach den Umstand, dass er nach einem dieser jahrhundertealten britischen Gesetze auch Vorsitzender des Thronrates ist. So wollte er sich mithilfe der Queen im entscheidenden Moment des lästigen Parlaments entledigen.

Johnsons Coup ist gescheitert, Trump droht wegen seiner jüngsten Affäre ein Amtsenthebungsverfahren. Grund um sich zurückzulehnen und über die Unerschütterlichkeit unserer Demokratien zu freuen, liefern diese beiden Skandale allerdings nicht. Vielmehr zeigen sie, dass ein Rechtsstaat zwar die Grundlage jeder Demokratie ist und unweigerlich sein muss, dass es aber auch politische Entscheidungsträger braucht, die sich diesem Rechtsstaat tatsächlich verpflichtet fühlen. Beispiele wie Ungarn zeigen, dass sich ein Rechtsstaat auch ohne eklatante Gesetzesbrüche aushöhlen lässt, sich Demokratien in Scheindemokratien verwandeln lassen. Unsere westlichen Demokratien sind noch nicht so alt, dass wir vergessen können, wie schwer es ist, sie zu erkämpfen und wie leicht, sie zum Einsturz zu bringen.

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