Der Hilferuf der Schuldirektoren

Der Hilferuf der Schuldirektoren
Das System Schule ist wie ein Brennglas, unter dem gesamtgesellschaftliche Entwicklungen überdeutlich erkennbar werden.
Rudolf Mitlöhner

Rudolf Mitlöhner

Es ist ein ernüchterndes Bild, welches ein am Mittwoch veröffentlichter Offener Brief an Bildungsminister Martin Polaschek erkennen lässt. Zugrunde liegt dem Schreiben eine von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems in Zusammenarbeit mit der Wiener Bildungsdirektion durchgeführte Befragung von 40 Schuldirektorinnen und -direktoren.

Das Ergebnis: viel zu viel Administration, kaum Gestaltungsspielraum, immer weniger Lehrer sind bereit, sich den Job noch anzutun (hier dürfte es eine Analogie zur Politik geben, aber das ist eine andere Geschichte). „Ich kopiere tonnenweise – schade um meine gute Ausbildung!“ Dieses Zitat eines Befragten ist dem Brief vorangestellt.

Es geht freilich um mehr als um die Befindlichkeit von Direktoren. Das Ergebnis der Befragung wirft generell ein Schlaglicht auf die Situation der Schulen, an denen vielfach die Nerven blank liegen. Das hat zunächst viel mit der Pandemie zu tun – etwa mit den in den letzten zwei Jahren ständig wechselnden Corona-Regeln, mit Homeschooling, Testen und sonstigen Schutzmaßnahmen (Masken im Unterricht). Aber auch mit der quer durch die Konferenzzimmer wie die Klassen verlaufenden Front zwischen Geimpften und Ungeimpften/Impfgegnern.

Doch das System litt schon vor Corona an tendenzieller Überfrachtung und Überforderung: Schule soll (fast) alles leisten, dabei aber (möglichst) nicht stören. Sie soll soziale und familiäre Defizite aller Art ausgleichen, gleichzeitig aber den Lauf einer Wohlstandsgesellschaft samt ihren Freizeitansprüchen tunlichst nicht beeinträchtigen (letzteres gerade in „besseren Kreisen“ und zugehörigen Schulen).

Zudem weht ihr noch der Zeitgeist mangelnder Leistungs- und Anstrengungsbereitschaft, das Missverständnis Lernen/Arbeit müsse jedenfalls Spaß machen, entgegen. Und last but not least steht kaum ein Bereich schon seit Jahrzehnten so unter permanentem „Reform“-Druck wie die Schule (Stichwort: Schulversuche etc.). Bildungsexperten sind ähnlich zahlreich wie ÖFB-Trainer (und seit zwei Jahren auch Epidemiologen).

Das System Schule ist bei all dem wie ein Brennglas, welches gesamtgesellschaftliche Phänomene überdeutlich macht: die Gleichzeitigkeit von Überreiztheit und Saturiertheit, von Polarisierung und Gleichgültigkeit – was letztlich in eine Art großer Erschöpfung gemündet hat.

Müßig darauf hinzuweisen, dass diese unsere Gesellschaft für die gegenwärtigen Herausforderungen im Zeichen von Pandemie und (noch fernem) Krieg sich als nur schlecht gerüstet erweist. Was aber, wenn dies alles nur der Anfang war und die eigentlichen Bewährungsproben noch bevorstehen?

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