Der Gazastreifen bleibt eine Zeitbombe

Israel flog drei Tage lang Luftangriffe auf Gaza, von dort feuerten Palästinenser Raketen auf Israel
Ständig neue israelische Angriffe auf die Palästinenser verschärfen die Lage. Hilfe und Business statt Bomben wären viel klüger.
Walter Friedl

Walter Friedl

Diesmal war der tödliche Spuk schnell vorbei. Nach drei Tagen, um genau zu sein, stellten Israel und die radikale Palästinensermiliz im Gazastreifen, „Islamischer Dschihad“, ihre Feindseligkeiten ein. Gut so. Was bleibt nach massiven israelischen Luftangriffen auf den schmalen Küstenstreifen und dem Raketenhagel Richtung Israel? Dutzende Tote und Hunderte Verletzte auf palästinensischer Seite. Und sonst? Ein stark geschwächter „Islamischer Dschihad“, dessen Waffenarsenale teilweise zerstört und dessen Kommandostruktur hart getroffen wurde. Insofern hat Israel seine Ziele rasch und effizient erreicht – was sich Übergangspremier Jair Lapid auf die Fahnen heften kann. Ob es sich auch politisch ausgezahlt hat, wird sich bei den Neuwahlen im Herbst weisen.

Im Inland wird das entschlossene Auftreten des Regierungschefs positiv wahrgenommen. Lapid hat es auch klug dosiert: Ein länger andauernder Feldzug hätte vielleicht die in Gaza herrschende Hamas eventuell auch zu den Waffen greifen lassen und/oder einen Aufstand im (von Israel besetzten) Westjordanland provoziert. Der Konflikt wäre vollends eskaliert.

Ist nach dem explosiven Wochenende nun wieder alles gut? Natürlich nicht. An der Grundproblematik hat sich nichts geändert. Und die lautet: Die gut zwei Millionen Menschen im Gazastreifen haben nicht die geringste Perspektive auf eine bessere Zukunft. Zusammengepfercht auf einer Fläche von nur 365 km2 (zum Vergleich: Wien hat 414 km2) ist jeder Zweite ohne Job, unter den Jugendlichen sind sechs von zehn arbeitslos. Das ist der Nährboden und das Rekrutierungsfeld für militante Organisationen. Solange sich daran nichts ändert, bleibt der Gazastreifen eine tickende Zeitbombe.

Israel tut nichts, um diese zu entschärfen. Im Gegenteil: Die Grenzen sind dicht, seitdem die radikale Hamas dort 2007 die Macht übernommen hat. Oftmals kommt nicht einmal humanitäre Hilfe durch. In Spitälern fehlt es an Medikamenten, Strom gibt es meist nur stundenweise, weil es an Diesel mangelt, um die Generatoren zu betreiben.

Treppenwitz der Geschichte: In seiner früheren Funktion als Außenminister hatte Lapid einen zweistufigen Entwicklungsplan für den Gazastreifen unter dem Motto „Wirtschaft für Sicherheit“ präsentiert. Die Idee: Durch Wohlstand soll eine friedliche Koexistenz gefördert werden. Demnach sollen in einem ersten Schritt das Gesundheitssystem und die Stromversorgung verbessert werden, Entsalzungsanlagen (zur Trinkwasser-Gewinnung) sollen entstehen. In einem zweiten Schritt sollen die Palästinenser an einer künstlich zu schaffenden Insel im Meer einen eigenen Hafen erhalten. Ein sehr kluger Ansatz.

Als Premier hätte Lapid jetzt die Möglichkeit, den Grundstein für seine Pläne zu legen. Dass er Feldherr kann, hat er gerade bewiesen, dass er Frieden kann, noch nicht.

Der Gazastreifen bleibt eine Zeitbombe

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