Das Versäumnis

Der vertrauliche Bericht der EU-Kommission zeigt einmal mehr: Die Migration in Europa funktioniert offensichtlich nicht. Und auch wenn dieser Bericht Innenminister Gerhard Karner und Recht gibt – freuen kann er sich darüber nicht. Denn er wird innenpolitisch einer anderen Partei helfen.
Die mit Abstand meisten Asylanträge verzeichnet laut EU-Bericht Deutschland, bei der Pro-Kopf-Anzahl steht Österreich allerdings an erster Stelle. Und vor allem bei den Steigerungen. 2022 gab es drei Mal mehr Asylanträge als im Jahr zuvor, das muss ein System erst einmal verkraften.
Dass bedeutet zwar noch lange nicht, dass alle der Asylsuchenden in Österreich bleiben. Ganz im Gegenteil: Viele wollen weiter, tauchen unter und gehen als illegale Arbeitskraft ins EU-Ausland. Dennoch bedeutet es für die österreichische Verwaltung und die Erst-Unterbringung einen immensen Aufwand. Zugleich ist es den Menschen in Österreich nicht erklärbar, warum hierzulande im Vorjahr 108.490 Asylanträge gestellt wurden, bei unserem Nachbarn in Ungarn dagegen nur 46 (!).
Karner hat mit seinem uneleganten Hilfeschrei in Form von einer Blockade der Schengen-Erweiterung das Problem auf seine Art und Weise benannt. Damit müssen Bulgarien und Rumänien jetzt unter anderem dafür büßen, dass Ungarn seine Hausaufgaben nicht macht. Doch für eine Regierung im Wahlkampf gilt: Wenn Probleme nicht gelöst sind, sondern eine Woche vor einem Urnengang aufpoppen, hilft das immer der Opposition. Für Innenminister Karner und auch Kanzler Karl Nehammer ist der Bericht daher ein Danaergeschenk. Denn natürlich zeigt der Bericht, dass die Migration in der EU nicht länger bei nur wenigen Ländern hängen bleiben darf.
Für die ÖVP kommt der Bericht jedoch zur Unzeit, hat doch die FPÖ das Thema Asyl schon länger besetzt und holt damit Stimmen. Umso mehr als Karl Nehammer und Gerhard Karner beide aus der niederösterreichischen Landespartei stammen. Die KURIER-Umfrage vom Sonntag hat erneut bestätigt, dass es die niederösterreichische Volkspartei nicht schafft, sich komplett von der Bundespolitik abzukoppeln.
Sebastian Kurz hat einst das Migrationsthema populistisch genutzt, um Stimmen von der FPÖ zu holen. Die holen sich die Blauen gerade zurück. Denn Nehammer hat es im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht verstanden, rechtzeitig auf das Problem aufmerksam zu machen und auch politisch zu nutzen.
Umso heikler ist jetzt seine Mission in Bulgarien: Einerseits muss man von Sofia aus ein Signal in die (niederösterreichische) Heimat zurücksenden, gleichzeitig aber auch Verbündete auf der europäischen Ebene finden, damit die Asylfrage endlich gelöst wird. Zeit wäre es.

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