Das Land der Nicht-Koalitionen

NATIONALRAT SONDERSITZUNG: NEHAMMER / KICKL
Keine Partei will nach der Wahl eine Koalition mit der FPÖ unter Obmann Herbert Kickl. Ob ihn das bremsen kann, ist eher fraglich.
Martin Gebhart

Martin Gebhart

Wie funktioniert die österreichische Variante eines Koalitionspokers? Vor einer Wahl legen sich die Parteien nur darauf fest, mit wem sie auf keinen Fall eine Regierung bilden wollen. Nach dem Wahltag werden dann alle möglichen Kartentricks ausgepackt, um diese Ansagen wieder abzuschwächen. Auch wenn das die Wähler frustriert. So passiert in Niederösterreich und Salzburg.

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Zu Beginn der Woche hat nun überraschend auch ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer an diesem Pokertisch Platz genommen und erstmals seine Karten auf den Tisch gelegt. Eine Koalition mit der FPÖ würde es mit ihm nur dann geben, wenn Parteichef Herbert Kickl nicht mehr an Bord ist. Der Kanzler stuft ihn als „Sicherheitsrisiko“ ein, weil er sich gegen das geplante Luftabwehrsystem „Sky Shield“ ausgesprochen hat.

Umfrage-Hoch für Herbert Kickl 

Was auch immer Karl Nehammer zu dieser aggressiven Strategie veranlasst hat, „Sky Shield“ allein wird es nicht gewesen sein. Das seit Monaten anhaltende Umfrage-Hoch für Herbert Kickl und seine FPÖ scheint da schon eher die Änderung der Taktik bewirkt zu haben. 

Jetzt versucht man es mit direkten Attacken, denen sich auch die übrigen ÖVP-Regierungsmitglieder angeschlossen haben. Das widerspricht zwar allen bisher in den Parteischulen gelernten Methoden, den Gegner nicht zu oft zu nennen, um ihn so nur ja nicht stark zu machen. Aber vielleicht hofft man, dass diesmal das Gegenteil eintritt.

Querschüsse gegen die blaue Nummer eins

Ob diese klare Absage an Herbert Kickl klug war, werden die kommenden Umfragen und vor allem der nächste Wahltag im September 2024 zeigen. Die Hoffnung mancher ÖVP-Strategen, dass sich die FPÖ von ihrem Chef abwendet, nur um einer nächsten Regierung anzugehören, hat keine Grundlage. Selten zuvor waren die Freiheitlichen so geschlossen wie im Moment. Aus keinem Bundesland gibt es kritische Töne oder gar Querschüsse gegen die blaue Nummer eins. Er kann sein Programm durchziehen, die Partei folgt ihm.

Was er nicht mehr kann: Kanzler werden. Vor der ÖVP hatten bereits SPÖ, Grüne und Neos klar gemacht, dass es keine Koalition mit den Freiheitlichen geben wird. Wobei es ihn wohl persönlich nicht sehr treffen würde, wenn er am Wahltag zwar als Nummer eins ins Ziel kommt, danach aber von einer Anti-Kickl-Phalanx verhindert wird. Schlimmer wäre es für ihn, wenn es am Ende doch nur Platz zwei wird.

Ankündigung von Nicht-Koalitionen

Bei all den Ankündigungen von Nicht-Koalitionen bleibt die Frage, was am Ende des Tages politisch überhaupt möglich ist. Nimmt man die Umfragen her, dann kann es nur eine Dreier- oder Viererkoalition geben, wobei immer ÖVP und SPÖ mit im Boot sein müssen. Bei der Stimmung, die derzeit zwischen diesen beiden Parteien auf Bundesebene vorherrscht, ist das auch keine prickelnde Ansage.

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