„Die Leute stolpern über Vorschriften, weil sie sie nicht mehr durchblicken“, meint ein erfahrener Steuerberater zum KURIER. Sprich: Der Bürokratiedschungel hat unerträgliche Ausmaße angenommen und ist selbst für gut Gebildete kaum mehr zu durchschauen, womit Firmen und deren Manager schnell mit einem Fuß im Kriminal stehen. Dank neuer EU-Regeln wird sich das noch weiter zuspitzen. Etwa durch eine 2025 in Kraft tretende EU-Richtlinie, die Unternehmen ab 250 Mitarbeitern zu einem „Nachhaltigkeitsbericht“ verpflichtet, in dem sie ihre Umweltbemühungen dokumentieren müssen. Auch das geplante Lieferkettengesetz, das den Firmen die Verantwortung für sozial und ökologisch gute Bedingungen entlang der gesamten (globalen) Wertschöpfungskette überträgt, könnte einige Unternehmen vor unbewältigbare Herausforderungen stellen. Österreich glänzt in solchen Fragen außerdem mit „Gold Plating“: Es wird in einem Übereifer noch eins draufgesetzt, was theoretisch wunderbar, in der Praxis aber manchmal eine Katastrophe ist.
Leider spricht selten jemand so Klartext, wie Paul Niederstein, Chef des ältesten deutschen Familienunternehmens, einer Zinkerei, in der deutschen Welt: „Wir leben in einem Land mit einem überbordenden Bürokratismus“, meint er, und: „Offenbar werden wir für so unfähig gehalten, dass der Staat alles regulieren muss. Im Grunde genommen entsteht dadurch eine Erziehung zur Unselbstständigkeit.“
Das trifft auch auf Österreich zu – und zieht sich bis in kleinste Einheiten, wenn zum Beispiel Kindergarten-Eltern keinen Kuchen mehr mitbringen, im Stiegenhaus von Mietshäusern keine Pflanzen stehen dürfen oder eine Allgemeinmedizinerin gerügt wird, weil in ihrer Privat-Ordi Ersatzbatterien für eine Taschenlampe fehlen. Und da reden wir noch gar nicht von Bauordnungen und Arbeitszeitaufzeichnungen, also dem bürokratischen Furor, alles und jedes „dokumentieren“ zu müssen.
Internationale Wirtschaftsrankings kritisieren Österreich schon länger für zu hohe Arbeitsmarktregulierung und administrative Hemmnisse. Die Stadt Wien hat im Vorjahr eine Entrümpelung ihrer Vorschriften versprochen und ab heuer immerhin die absurde, bürokratische Luftsteuer (etwa für Windfänge und Portale) abgeschafft. Auch im Regierungsprogramm stehen Bürokratieabbau und Verwaltungsreform. Viel Zeit bleibt dafür aber nicht mehr.
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