Nicht wenige von uns definieren sich tatsächlich über ihre vier Reifen (gilt übrigens auch für zwei Räder). Wenn man sieht, wie diese eingesetzt werden, fragt man sich oft, ob ein paar Schrauben locker sind. Auf den Autobahnen, aber nicht nur dort, wird gedrängelt, was das Blech hält. Wer mit 130 km/h fährt (oder mit 140 in den Norbert-Hofer-Gedächtnis-Zonen) wird als Schleicher diskreditiert. Die Straßen sind die Boxringe unserer Zeit. Wenn die Raser nur könnten, wie sie wollen ...
Der einzige Ort, der noch aggressionsbeladener ist als soziale Medien, ist die Straße. Und es kann kein Zufall sein, dass die maximale Zeichenanzahl auf Twitter 140 betrug. Dass sie mittlerweile auf 280 gewachsen ist, sollte uns Angst bereiten.
Sozialpsychologen einer Londoner Hochschule haben sieben Typologien von Autofahrern entworfen. Diese sind: Der Belehrer, der Besserwisser, der Wettkämpfer, der Bestrafer, der Philosoph (versucht Fehlverhalten rational zu erklären), der Vermeider (distanziert sich von Rasern) und der Aussteiger (hört Musik und versucht sich zu isolieren). Passen wir nicht alle in dieses Schema? Andere Psychologen gehen sogar so weit, dass sie behaupten, schlechte Autofahrer (also immer die anderen) seien auch schlechte Liebhaber. Kommt von diesem Zusammenhang das Wort Geschlechts-Verkehr?
Aber warum ist es so, dass manche mit ihren Karossen verwachsen? Ein Grund könnte sein, dass sie sich, wie in sozialen Medien, trotz Nummerntafel anonym fühlen, in einer Blase, einem eigenen Kosmos. Da gelten nur die eigenen Regeln. „Der Mensch ist nicht fürs Autofahren gebaut“, sagt der deutsche Verkehrstherapeut Jörg-Michael Sohn. „Deshalb irrt er, wo er rast.“ Um echte Mobilität geht es nur selten. Es ist eine Mär, dass man nur mit dem Auto überall rascher und billiger hinkommt (manche Regionen am Land ausgenommen).
Die Abhängigkeit ist mehr psychologisch als anatomisch. Schlag nach bei Freud. Ja, es wird eine post-automobile Gesellschaft geben. Schneller, als wir denken.
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