Sportstadt Wien: Vom Champions-League-Finale zur Bim-WM

Sportstadt Wien: Vom Champions-League-Finale zur Bim-WM
1995 kickten die besten Klubfußballer Europas im Prater, 2005 spielten die besten Eishockey-Cracks in der Stadthalle auf. Heuer kommen dafür die Straßenbahn-Champions.
Christian Mayr

Christian Mayr

Im Mai vor 30 Jahren fand in Wien zum letzten Mal ein Champions-League-Endspiel statt, vor genau 20 Jahren ging in Wien letztmalig die Eishockey-WM über die Bühne. Und heuer? Da steigt in Wien die Straßenbahn-WM. Lässt sich noch drastischer der Niedergang der einstigen „Sportstadt Wien“ darstellen?

Dass das Prater- respektive Ernst-Happel-Stadion damals eine der modernsten Arenen Europas und binnen acht Jahren gleich drei Mal Schauplatz des Finales um die europäische Klub-Krone war, glaubt einem heutzutage kein Kind mehr. Danach wurde praktisch nichts mehr investiert und modernisiert – und für die Euro 2008 wurden von der UEFA schon beide Augen zugedrückt. Heute nutzt die Stadt Wien die größte Veranstaltungsstätte des Landes lieber als Stromkraftwerk oder für Musikkonzerte denn für legendäre Fußballnächte. Um ein Finale wie 1995 (Ajax Amsterdam – AC Milan 1:0) kann sich Wien erst gar nicht mehr bewerben, weil das Stadion die Standards nicht erfüllt.

Die Eis-Blamage

An das Desaster der Eishockey-WM 2005 will im Rathaus auch niemand mehr erinnert werden: Nicht, weil Gastgeber Österreich abgestiegen, sondern weil das Eis in der Stadthalle geschmolzen ist. Eine unfassbare Blamage vor den Augen der Weltöffentlichkeit! Danach kündigte übrigens Bürgermeister Michael Häupl den Bau einer neuen Multifunktionsarena an. Wenn Sie jetzt wissen wollen, wo genau die steht – es gibt sie nicht. Es soll aber bald eine geben, 2030 nämlich.

Die Wien-Holding-Arena in St. Marx hat aber einen Schönheitsfehler: Sport-Events sind dort eine Randerscheinung.

Parteipolitische Gaben

Es wäre jetzt natürlich unfair, die sportlichen Aktivitäten der Stadt Wien nur anhand dieser Infrastrukturmisere zu bemessen. Schließlich wird auch viel in den Breitensport investiert – etwa in neue Kunstrasenplätze oder Schwimmhallen. Und man schafft es, überschaubare Events – von Beachvolleyball über Stadthallen-Tennis bis zur Handball-Frauen-EM (wer hat sie vergangenen Herbst wahrgenommen?) – friktionsfrei abzuwickeln. Bei der Infrastruktur hat man aber das Gefühl, dass stets nach parteipolitischen Maßstäben vorgegangen wird: Hier Millionen für das neue Rapid-Stadion, dort für jenes der Austria (jetzt sogar der Ankauf um 40 Millionen), aber nichts für die Handball-Meister der (schwarzen) Union Westwien, die 2023 den Profibetrieb einstellen mussten.

Was kostet die Bim-WM?

Da kommt die Bim-WM im Herbst gerade recht – da kann man wenig falsch machen und bekommt viel PR. Auch wenn selbst das wohlmeinende Wien heute darin eine Skurrilität erkennt und sie mit der Papierflieger- oder Luftgitarren-WM vergleicht. Und kritische Geister gerne die Kosten für den Spaß erfahren würden (die die Wiener Linien nicht verraten – was wiederum nichts Gutes für die Steuerzahler verheißt).

Vor 30 Jahren „spielten“ die Wiener Straßenbahnen übrigens wirklich in der Champions League mit. Sie wurden nämlich mit den Wappen der beiden Finalisten beflaggt und fuhren so tagelang durch Wien. Eine schöne Geste eines charmanten Gastgebers. Mit Inter Mailand und Paris St. Germain in der Tram über den Ring und dann zum Finale in den Prater? Heute ein völlig aus der Zeit gefallener Gedanke. Denn sportpolitisch hat Wien das Abstellgleis eingeschlagen.

Kommentare