Besser heute als morgen zurücktreten

Die Idioten sind immer die anderen? Den Doping-Skandal kann man im ÖSV nicht einfach aussitzen.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Worüber haben wir in dieser Woche diskutiert? Ein bisschen über den Opernball und dessen nicht sehr feschen Blumenschmuck. Über den neuen burgenländischen Landeshauptmann, der es seiner Parteichefin nicht allzu leicht machte, indem er sogar den Innenminister der Autofahrerpartei beim Thema Schutzhaft rechts zu überholen versuchte. Vor allem aber über die kurzzeitigen Festnahmen österreichischer Langläufer bei der nordischen WM in Seefeld, also einen Doping-Skandal, in den der ÖSV freundlich ausgedrückt zumindest involviert ist.

Was ist seit der Razzia passiert? Das, was in solchen Fällen immer passiert. Alle Verantwortlichen setzen, passend zum Fasching, die Unschuldsmasken auf. Wir? Etwas davon gewusst? Sicher nicht! Die Doping-Sportler sind die Idioten, nicht wir!

Damit einhergehend eine mediale Verteidigungsoffensive: Unsere Helden lassen wir uns doch nicht von ein paar Fotos oder Videos mit Spritzen anpatzen.

Warum kann man eigentlich, wenn es um Sportler geht, solche Fälle nicht nüchtern analysieren? Es werden ja auch permanent Politiker oder Künstler heftig attackiert. Versuchen wir es also zumindest. Und beginnen wir ganz oben im Skiverband.

Nur Brösel mit diesen Trotteln

Der aktuelle Dopingskandal ist nicht der erste, mit dem ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel konfrontiert ist. Auch nicht der schlimmste. Verglichen mit dem Desaster bei der WM 2006 in Turin ist Seefeld aus ÖSV-Sicht fast so, als würde ein Sportler ein paar Stamperl Zirbenschnaps trinken. Aber darum geht es nicht, sondern darum, dass es heute nicht mehr akzeptabel ist, solche Vorfälle innerhalb einer Organisation auszusitzen. Bestimmt hat Schröcksnadel nichts davon gewusst. Dem Vernehmen nach ist ihm der Langlaufsport überhaupt wurscht: Nur Brösel mit diesen Trotteln. Dennoch ist er letztverantwortlich und sollte besser heute als morgen zurücktreten.

Dass es im Umgang mit Skandalen keine Sensibilität gibt, zeigte zuletzt auch der Fall Nicola Werdenigg – Sie wissen schon, das ist jene Ex-Skifahrerin, die den ÖSV mit #MeToo-Vorwürfen konfrontiert hatte. Egal, wann diese Vorfälle passiert sind: Der Chef hat sofort für Aufarbeitung zu sorgen, statt die Opferrolle einzunehmen und das Opfer anzupatzen.

Zu den Langläufern im Konkreten: Der ÖSV würde sich offenbar der ganzen Sektion am liebsten entledigen – damit stellt er Sportler unter Generalverdacht und betreibt absurde Sippenhaftung.

Zum Doping im Allgemeinen: Man muss davon ausgehen, dass wir nur die Spitze des Eisberges kennen und die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher ist.

Was hier ehrlich wäre? In manchen Sportarten zwei Disziplinen einzuführen – Gewichtheben/Radfahren/Langlaufen für Gedopte und für Ungedopte. Das eine Show, das andere fairer Sport. So bliebe die dumme Rekordsucht im Zirkus. Bis es aber so weit ist, werden wir noch viele Jahre der Verlogenheit erleben.

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