Aus für Amtsgeheimnis: Die türkis-grüne Regierung lebt doch noch

Wenn die türkis-grüne Regierung mit dem Rücken zur Wand steht, dann scheint plötzlich vieles leichter und schneller zu gehen. Das Handy-Video über einen parteiinternen Auftritt von ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer und die irrtümlich an die Öffentlichkeit gelangten U-Ausschuss-Überlegungen der ÖVP hatten das koalitionsinterne Klima in den vergangenen Tagen sicherlich belastet, auch wenn sich speziell die grüne Führung nach außen hin immer sehr gelassen gegeben hatte.
➤ Mehr dazu hier: Aus für das Amtsgeheimnis: So soll es umgesetzt werden
Da wirkte jetzt die Präsentation des Entwurfes für ein Informationsfreiheitsgesetz wie ein Befreiungsschlag. Nach dem Motto: Trotz der vielen Abgesänge sind wir immer noch am Leben.
Tatsächlich ist die Abschaffung des Amtsgeheimnisses ein großer Wurf. Einige Regierungen davor hatten diesen Schritt bereits in ihr Koalitionsprogramm geschrieben. Es ist aber erst der türkis-grünen Mannschaft gelungen, das alles in einen Gesetzestext zu fassen, sodass es auch umgesetzt werden kann. Dass die Verhandlungen dazu länger als geplant gedauert haben, ist verschmerzbar. Genauso sind es die wenigen Abstriche, die man machen musste. Etwa das Zugeständnis an Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern: Dass diese keine proaktive Auskunftspflicht haben, ist weniger irgendwelchen parteipolitischen Vorlieben als einem pragmatischen Zugang zum Thema geschuldet.
In diesen Kommunen ist der Verwaltungsapparat in den meisten Fällen so dünn besetzt, dass eine Informationspflicht in vollem Umfang den Betrieb lahmlegen würde. Außerdem müssen auch diese Gemeinden laut Gesetzesentwurf alle Anfragen in vollem Umfang beantworten.
Die türkis-grünen Verhandler jedenfalls haben ihre Arbeit erledigt, jetzt liegt der Ball bei der SPÖ. Nachdem die Freiheitlichen – wie erwartet – auf keinen Fall mitstimmen werden, sind die Stimmen
der Roten für die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit entscheidend. Sie müssen sich rasch klar werden, ob es ihnen wichtiger ist, diesen historischen Schritt zu ermöglichen, oder ob sie wieder einmal auf Total-Opposition setzen. Das ist eine heikle Frage für eine staatstragende Partei wie die SPÖ.
Die türkis-grüne Regierung hat mit dem Informationsfreiheitsgesetz einen überzeugenden Beweis geliefert, dass sie tatsächlich gewillt ist, die gesamte Legislaturperiode bis Ende September 2024 durchzudienen. Wenn nun auch noch die gegenseitigen Blockaden bei den verschiedenen Personalbestellungen aufgegeben werden, dann hat es sich wahrscheinlich auch für beide gelohnt, auf vorgezogene Neuwahlen zu verzichten. Selbst wenn es am Ende des Tages kein Klimaschutzgesetz gibt – was höchstwahrscheinlich der Fall sein wird.

Kommentare