Die Justiz als Spaltpilz für die Koalition

Seit der Rede von Bundeskanzler Karl Nehammer zur Zukunft der Nation und seinen Ansagen zum Klimaschutz reißen die Spekulationen um vorgezogene Neuwahlen nicht ab. Da können ÖVP und Grüne noch so oft betonen, dass die nächste Nationalratswahl plangemäß im Herbst 2024 stattfinden wird. Überzeugend klingt das nicht.
Dabei dürften es gar nicht die Klimamaßnahmen sein, die die türkis-grüne Regierung dazu bringen können, vorzeitig das Handtuch zu werfen. Auch wenn gerade in diesem Bereich gerne gestichelt wird. Die jüngste Attacke ist der Autogipfel, den Kanzler Nehammer einberufen hat. Beim Klima allerdings haben beide Seiten gelernt, in der Regierung damit pragmatisch umzugehen. Genauso beim Thema Asyl.
Zadić verzichtete auf jegliche Zurückhaltung
Ein viel gefährlicherer Spaltpilz ist die Justiz. Da liegt die ÖVP schon seit Beginn der türkis-grünen Koalition mit Ministerin Alma Zadić im Clinch. Wie tief der Graben mittlerweile ist, wurde am Sonntag in der ORF-Pressestunde der Öffentlichkeit vor Augen geführt. Die Antworten der Justizministerin auf die vielen offenen Fragen zur Reform – vom Bundesstaatsanwalt bis hin zu den Beschuldigtenrechten – wurden zur Abrechnung mit dem Koalitionspartner.
Zadić verzichtete auf jegliche Zurückhaltung und warf der ÖVP sogar vor, die Beschuldigtenrechte nur dann zu entdecken, wenn „Politiker aus den eigenen Reihen“ betroffen wären. Das war ein Schlag gegen jene türkisen Weichteile, wo es noch immer am meisten schmerzt. Im Konter wird der Ministerin vorgeworfen, dass sie sich zwar immer wieder demonstrativ vor ihr Haus stelle, aber keinen Handgriff unternehme, um dort für Ordnung zu sorgen. Die offenen Konflikte rund um die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und die entsprechende Dienstaufsicht seien das beste Beispiel dafür.
Vorgespielte Harmonie
Dabei hatten Alma Zadić und ihr türkises Gegenüber, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, im Vorjahr noch den Eindruck vermittelt, dass man an gemeinsamen Lösungen arbeite. Diese Harmonie dürfte aber nur zur Beruhigung der Öffentlichkeit vorgespielt worden sein. Greifbare Ergebnisse gibt es bis heute nicht. So ist man sich etwa bei der Frage des Bundesstaatsanwaltes noch nicht einmal einig, ob das eine Person oder ein Dreiersenat sein soll. Geschweige denn, ob es für Beschuldigte, die dann vom Gericht freigesprochen werden, endlich einen adäquaten Kostenersatz gibt. Obwohl das sogar im Regierungsprogramm verankert ist.
In der ÖVP mehren sich in der Zwischenzeit die Stimmen, die davon ausgehen, dass die gewünschte Justizreform wohl erst nach dem Ende der türkis-grünen Koalition umgesetzt werden kann. Das bedeutet Stillstand und darf als Anzeichen gewertet werden, dass die jetzige Regierungsarbeit tatsächlich vorzeitig beendet werden soll.

Kommentare