Ärztekammer in der Krise

Die edlen Hallen der Wiener Hofburg sind gerade gut genug für eine der mächtigsten Interessensvertretungen des Landes, um ihr alljährliches Tanzvergnügen abzuhalten. Allzu prächtig wird die Stimmung beim heutigen Ball der Wiener Ärztekammer jedoch nicht sein, droht doch die einflussreichste Landesorganisation in einem Finanzskandal zu versinken. Es geht um seltsame Prämienzahlungen und fragwürdige Geldflüsse rund um eine Tochterfirma der Kurie der niedergelassenen Ärzte. Drei Personen sind in der Causa bereits angezeigt.
Die Affäre kommt zur Unzeit, weht doch den selbstbewussten Ärztevertretern, an denen sich schon Generationen von Gesundheitspolitikern die Zähne ausgebissen haben, gerade jetzt ein ungewöhnlich scharfer Wind entgegen. Eine seltene Allianz aus Gesundheitsminister, Landespolitikern und Sozialversicherung hat sich zusammengefunden, um der Kammer die Flügel zu stutzen. Längst hätten wir schon ein effizientes Gesundheitswesen ohne überfüllte Ambulanzen und Wartezimmer, so der Tenor, wenn die Ärztevertreter aus Eigennutz nicht jegliche Reform verhindern würden.
Hang zum Eigennutz
Das mag überzeichnet sein – schließlich findet sich der Hang zum Eigennutz auf Kosten der betroffenen Patienten auch bei anderen Beteiligten. Jedenfalls ist der Zeitpunkt der Attacken nicht zufällig. Soll doch bei den aktuellen Finanzverhandlungen zwischen Bund und Ländern endlich eine Neuaufstellung des Gesundheitswesens gelingen. Die Kammer hat schon moniert, mitreden zu wollen. Ob sie als glaubwürdiger Partner auftreten kann, ist nach den jüngsten Kalamitäten aber fraglich. Denn wie ernst zu nehmen ist eine Interessensvertretung, die glaubt, ohne wirtschaftliche Kenntnisse ins Handelsgeschäft einsteigen zu müssen, um sich dann – wie man jetzt gebetsmühlenartig beteuert – von fragwürdigen Managern hinters Licht führen zu lassen?
Es ist davon auszugehen, dass die anderen Player auf dem gesundheitspolitischen Spielfeld die Affäre weidlich ausschlachten werden, um der Kammer ihre Kompetenz abzuerkennen.
Die Gesundheitspolitiker – von Wien bis Eisenstadt – tun aber gut daran, jetzt nicht in Schadenfreude zu verfallen. Sind sie doch für die aktuellen Zustände der gegenseitigen Blockaden zu einem guten Teil mitverantwortlich. Gerne wird verschwiegen, dass die Politik längst Gelegenheit gehabt hätte, das Ärztegesetz zu ändern, welches den Kämmerern ihre ganze Macht verleiht. Es bleibt spannend, ob der Bund solche Maßnahmen tatsächlich wagt. Ansonsten bleibt der Verdacht übrig, die jetzigen Attacken auf die Kammer sind nur billige, schlagzeilenträchtige Manöver, um einmal mehr vom eigenen Unvermögen abzulenken.

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