Den Herbst durch Kinderaugen sehen

Den Herbst durch Kinderaugen sehen
Ein Denkanstoß für die dunkle Jahreszeit

von Elisa Schütz

Jedes Jahr aufs Neue können wir es beobachten. Dasselbe Phänomen. Zur selben Jahreszeit. Die Tage werden kürzer, die Luft immer kälter und mystische Nebelschwaden legen sich immer häufiger über die Landschaft. Doch so wie der Nebel durch die Natur zieht, wird auch unser Gemüt immer öfter getrübt und verwehrt uns den Blick auf die schönen Seiten des Lebens, wenn’s draußen immer dunkler und ungemütlicher wird. Kinder kennen dieses Gefühl nicht. Ihre Welt glitzert und funkelt für sie das ganze Jahr über und ein paar Regentage können das Lächeln aus ihren Gesichtern nicht verschwinden lassen. Wann haben wir also aufgehört, unserem inneren Kind Raum zu geben und ist es vielleicht genau das, was das Leuchten in unseren Augen zurückbringen kann?

Es ist ein typischer Herbsttag im Kindergarten. In der Garderobe hängen die Matschhosen und Regenjacken und auf den Gummistiefeln sind auch dieses Jahr wieder alle Figuren von Einhörnern bis Dinosaurier vertreten. In den meisten Jackentaschen findet man zumindest eine Kastanie und schon bei der Begrüßung bekomme ich von den Kindern immer wieder bunte Blätter gezeigt, welche auf dem Weg in den Kindergarten gefunden wurden. Die kleinen Hände sind ganz kalt und die Nase läuft, weil die Schnupfenzeit schon im vollen Gange ist. Und nichtsdestotrotz ist da ein Lachen im Gesicht und ein Funkeln in den Augen. Wieder einmal frage ich mich, wie macht ihr das? Woher nehmt ihr schon so früh diese Lebensfreude, wenn’s draußen noch fast dunkel ist und dicke Regentropfen gegen die Fenster prasseln?

Irgendwann, da wurde es mir klar. Irgendwann, vor vielen Jahren, haben wir uns alle noch über Kastanien und rotes Laub gefreut. Irgendwann, da wurde unser aller Lachen ganz laut, wenn wir mit den Gummistiefeln in die größte aller Pfützen gehüpft sind. Und irgendwann, da haben wir all das verlernt. Da verloren all die kleinen Dinge ihre Relevanz, weil sie zwischen einer Pandemie, einem Krieg in Europa, den steigenden Preisen und dem ohnehin schon stressigen Job schlichtweg keinen Platz mehr hatten. Keinen Platz in unseren Herzen und schon gar nicht in unserem Alltag.

Doch sind es nicht immer wieder die kleinen Dinge, die das Leben wirklich lebenswert machen? Die uns zeigen, dass es nicht nur schwarz und weiß, sondern eine ganze Farbpalette gibt? Ist das Leben nicht zu wertvoll, um unser Lachen und das Funkeln in unseren Augen zu verlieren?

Lassen Sie uns doch gemeinsam versuchen, diesen Herbst zu einem „wie damals“ zu machen. Nehmen Sie sich in den kommenden Wochen und Monaten immer wieder einen Moment Zeit, um die Welt bewusst durch Kinderaugen zu sehen. Um das ganze Negative um Sie herum für kurze Zeit zu vergessen, und sei es nur für ein paar Minuten am Tag. Sammeln Sie Kastanien und Blätter, ziehen Sie Ihre Gummistiefel an und hüpfen Sie in die größten Pfützen, die Sie finden können, ohne darüber nachzudenken, was irgendjemand denken könnte. Versuchen wir umzusetzen, was wir von den Allerkleinsten schon lernen können. Dass wir das Leben ab und zu auch ein bisschen leben dürfen.

Geben Sie dem Kind in Ihrem Herzen eine Chance sich zu entfalten und zumindest ein wenig Glitzer in eine Welt zurückzubringen, die irgendwann ihr Funkeln verloren hat.

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