Zwischen Angst und Vertrauen

Die Hand eines Babys umklammert den Finger eines Erwachsenen.
Was traue ich meinem Kind zu? Bei aller Liebe – zu viel Fürsorge kann auch schaden. Ein Wegweiser.

Mama, Papa, ich gehe noch schnell einmal hinaus spielen." Ein banaler Satz, den Mütter und Väter beinahe täglich hören. Umso schrecklicher sind Nachrichten von Kindern, die von ihrem Spiel nicht mehr zurückkehren. Meldungen von Entführungen oder schweren Unfällen auf Kinderspielplätzen haben zwar Seltenheitswert – doch wenn wirklich etwas passiert, dann sind viele Eltern sehr verunsichert und viele Fragen tauchen auf.

Was kann ich meinem Kind – altersadäquat – zutrauen und wie schütze ich es gleichzeitig vor Gefahren? Experten sprechen sich oft für ein Mittelmaß aus: Autonomie und Freiheit auf der einen Seite und Schutz und Sicherheit auf der anderen.

Einschätzungsvermögen

In der Praxis ist das Einschätzungsvermögen der Eltern gefragt, findet KURIER Family-Coach Martina Leibovici-Mühlberger: "Wenn mein Kind alleine auf den Spielplatz gehen will oder sich im Geschäft Süßigkeiten holt, muss ich mir immer wieder überlegen, ob es mit diesen Situationen umgehen kann." Vorsicht ist vor allem bei jüngeren Kindern angebracht. Es ist bekannt, dass das Aufmerksamkeits- und Erinnerungsvermögen von Sechs- bis Siebenjährigen noch schwach ausgeprägt ist. Auch schätzen sie Gefahren geringer ein und lassen sich schneller ablenken. Für manche Eltern ist es ein Grenzbereich, ob sie ihren Nachwuchs alleine auf den Spielplatz nebenan schicken können. "Den Ort und die Menschen, die sich dort aufhalten, sollte ich auf jeden Fall kennen. Und selbst wenn ich nicht mitgehe, muss ich mein Kind im Radar haben. Ich muss möglichst unaufdringlich immer wieder nachsehen, was mein Kind gerade tut," sagt die Familienexpertin. An Urlaubsorten ist zusätzlich Vorsicht angebracht: "Wenn ich nicht in Sichtweite bin, dann sollten unter Zehnjährige nur in Begleitung von Geschwistern oder anderen Kindern hingehen."

Dennoch kann auch zu viel Fürsorge schaden. Die deutsche Erziehungswissenschaftlerin Sigrid Tschöpe-Scheffler warnt vor Sätzen wie "Dazu bist du noch zu klein." Dadurch lernen Kinder Verantwortung abzugeben und werden träge, lust- und einfallslos.

Freiheit

"Kinder brauchen Freiheiten, sollten aber mit einem unsichtbaren Band an den Eltern hängen", sagt der Familycoach. Bei Heranwachsenden ist das eine besondere Herausforderung. Junge Mädchen, die auf der Einkaufsstraße bummeln wollen, haben wenig Lust auf elterlichen Begleitschutz. "Zwölf- bis 14-jährige Mädchen sind schwer einzuschätzen, inwiefern sie selbstständig genug sind. Da ist es notwendig , den Ablauf zu besprechen und Handy-Kontakt zu halten", sagt Leibovici-Mühlberger. Es gilt, ein Mittelmaß zu finden. "Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen machen als Teil der Entwicklung. Als Elternteil kann ich nicht alles verhin dern, aber dafür sorgen, dass diese Erfahrungen mit möglichst wenigen Blessuren ablaufen."

INFO - Familycoach-Telefonsprechstunde : Mittwoch, 13–15 Uhr, +43-1-526 57 60

Beratung rund um die Uhr, anonym und kostenlos: Mailen Sie unserer Expertin Martina Leibovici-Mühlberger, familycoach[a]kurier.at

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