Warum sich viele vor Mathe fürchten

Warum sich viele vor Mathe fürchten
Zentralmatura: Erstmals wird auch in den berufsbildenden Schulen zentral geprüft.

Für die AHS ist sie fast schon Routine, für die berufsbildenden Schulen eine Premiere: die Zentralmatura, die am 9. Mai startet. Angstfach Nummer eins ist und bleibt die Mathematik, was die steigende Nachfrage nach Lernunterstützung deutlich macht. Das Nachhilfeinstitut LernQuadrat hat für den KURIER den Bedarf erhoben: "An 28 von 33 Standorten wird das Angebot an Mathe-Kursen ausgebaut."

Zielgruppe sind in erster Linie Maturanten. Eine Nachhilfelehrerin erzählt: "Letztes Jahr um die Zeit hatte ich noch viel weniger Mathematik-Einheiten." Es geht nicht nur um die Matura, sondern auch um die Abschlussprüfung, damit Fünfer-Kandidaten überhaupt zur Reifeprüfung zugelassen werden. Nach der Matura wird es weitere Kurse geben. Denn: Immerhin 10,5 Prozent fielen im vergangenen Jahr bei der schriftlichen Mathematura durch. Für viele war die mündliche Kompensationsprüfung die Rettung, so dass am Ende im Herbst nur noch vier Prozent nochmals antreten mussten. Auch hierfür müssen private Nachhilfelehrer Krisenfeuerwehr spielen.

Druck der Pädagogen

Besonders groß scheint die Nervosität bei einigen Lehrern zu sein. Aus Angst, am Ende zu viele "Fünferkandidaten" verantworten zu müssen, geben sie den Druck auf die Schüler weiter. Eltern berichten, dass Lehrer ihre Maturanten dazu drängen, erst gar nicht zur Prüfung anzutreten. Andere setzen Extratests als K.-o.-Prüfungen an. Angstmache statt Ermutigung.

Aber warum zittern so viele vor Mathematik? Didaktiker Andreas Vohns (Uni Klagenfurt ) meint, dass das Fach schon immer polarisiert habe: "Die einen lieben es, die anderen hassen es. Dazwischen gibt es nicht viel." Und es sei nicht einfach: "Der Gegenstand bedarf eines hohen Abstraktionsvermögens. Zudem fragen sich viele, was das alles mit ihrem Leben zu tun hat." Mehr Praxisorientierung – das war ursprünglich das Ziel der Zentralmatura. "Man wollte hin zu konkreten Aufgaben aus Biologie, Wirtschaft, Sport." Ein neuer Unterricht musste her. "Es geht darum, zu verstehen, und nicht nur zu rechnen." Das neue Konzept stresst viele Lehrer, die anfangs nicht wussten, wie sie den Stoff auf neue Art vermitteln sollen. "Doch leider gibt es für Lehrer zu wenig Angebote an Mathematik-Didaktik an den Hochschulen", bemängelt Andreas Vohns. Schwieriger seien die Tests allerdings nicht geworden, behaupten Vohns Kollegen Wolfgang Kühnel und Hans-Jürgen Bandelt, die die Mathematura analysiert haben. Im Gegenteil: "Schüler der 9. oder 10. Schulstufe könnten die Matura schaffen", sagen sie und vermuten: "Ziel ist es offensichtlich, das Niveau in dem Fach abzusenken, dass viel mehr die Matura schaffen."

Spannung in den BHS

Besonders angespannt ist man an einigen berufsbildenden Schulen (BHS), weil dort die zentrale Probematura sehr schlecht ausfiel – rund die Hälfte war negativ, berichtet der Bundeselternverband dem Ministerium. Dort scheint man über die Ergebnisse zumindest offiziell wenig besorgt zu sein. Wo Klassen schlecht abgeschnitten haben, hätten sie die Prüfung nicht sonderlich ernst genommen, weil sie nichts zählt. Eine Erklärung, die nur zum Teil stimmt. Denn eigentlich müssten für die BHS andere Maßstäbe gelten, fordert Bildungswissenschaftler Stephan Hopmann. Der Stundenplan ist dort dichter, häufig wird Mathematik nur wenig unterrichtet – ein Grund, warum sich manche Schüler für eine BAKIP oder Tourismusschule entschieden haben. Hopmann verweist auf Norwegen: "Als man dort die zentrale Reifeprüfung einführte, ging das zulasten berufsbildender Schulen." Nicht nur hier, auch bei der Bewertung des Fachs Mathematik würde ein Blick über die Grenzen helfen: In vielen Ländern kann ein Schüler wählen, auf welchem Niveau er in dem Fach maturiert.

Stichwort: Zentralmatura

2015 startete die zentrale Prüfung an den AHS, die aus drei Säulen besteht: Vorwissen- schaftliche Arbeit, 3 bzw. 4 schriftliche und 3 bzw. 4 mündliche Tests. Deutsch, Mathematik und eine lebende Fremdsprache sind Pflicht. An den BHS geht es heuer los. Sie haben in Deutsch und einer lebenden Fremdsprache dieselbe Prüfung. In Mathematik gibt es zehn vom Schultyp abhängige Aufgabenstellungen, die aber dieselben mathematischen Themen wie z. B. Statistik abhandeln. Ab 2017 werden es nur noch fünf solcher Cluster sein.

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