Eine ernste Angelegenheit

Ein lachendes Kind mit blonden Haaren hält die Hände vors Gesicht.
Sonntag ist Weltlachtag. Der Psychologe Wilhelm Ruch über die Macht des Humors

Er ging in Kärnten zur Schule und studierte in Klagenfurt und Graz. An der Universität Zürich leitet Willibald Ruch ein eigenes Institut, eines seiner Forschungsschwerpunkte ist der Humor. Zum Internationalen Tag des Lachens – am ersten Sonntag im Mai – sprach Ruch mit dem KURIER über die Anatomie des Humors und ob Menschen, die viel lachen, wirklich lustig sind.

KURIER: Was macht ein Humorforscher eigentlich genau?

Willibald Ruch: Rein akademisch bin ich Professor für Persönlichkeits-psychologie und Diagnostik. Und je nach Forschungsinteresse wird man dann Spezialist – etwa Intelligenzforscher. Oder eben Humorforscher. Aber natürlich mache ich auch andere Dinge. Was den Humor betrifft, ist das Arbeitsgebiet sehr breit: Es geht nicht nur um Lachen, sondern um Themen wie Heiterkeit, Lächeln, Mimik oder etwa Akustik. Das ist sehr umfassend.

Eine ernste Sache also?

Ein Mann mit Bart und Anzug sitzt vor einer großen Zimmerpflanze.
Willibald Ruch
Insoferne, als wir uns zum Beispiel damit beschäftigen, welche Rolle Humor im Umgang mit sterbenden Menschen spielt. Sterbende wollen meist nicht, dass man nicht lacht, sie wollen einfach so sein wie sonst auch. Dann geht es um Themen wie das Auslachen, das schadenfrohe Lachen also. Im Rahmen eines EU-Projekts haben wir mit Avataren gearbeitet – computergesteuerten künstlichen Wesen, die eingesetzt werden, um Kunden zum Beispiel Information zu geben. Da war die Frage: Kann man diesen Avataren Lachen beibringen? Und wie muss es sein, dass sich Menschen nicht ausgelacht oder verhöhnt fühlen? Ich beschäftige mich mit dem Einsatz von Humor bei Konflikten oder im Kontext von Trauer. Etwa bei Begräbnisreden: Wie sehr darf ich bei einem Nachruf Humor als Stilmittel einsetzen, um eine Person menschlich zu zeigen?

Der Satz „Lachen ist gesund“ bleibt unumstößlich?

Auch hier geht es um Ernsthaftes. Beispiel: Eine Studie mit COPD-Patienten. Das sind Menschen, die an chronisch obstruktiver Lungenerkrankung leiden, bei denen die Lungenfunktion eingeschränkt ist. Es hat sich gezeigt, dass eine einstündige Clowntherapie die für die Krankheit typische Lungenblähung kurzfristig reduziert.

Soll man Lachen verordnen - kann man es überhaupt?

Sie sprechen Dinge wie Lachclubs an. Nun, wenn da jemand hingeht und Freude daran hat, dann ist das gut. Wenn es gefällt, wird es eine Funktion erfüllen. Ich glaube aber nicht, dass das eine Methode für alle Menschen ist. Und ich würde hoffen, dass ein gestelltes Lachen in ein fröhliches übergeht. Da fehlen mir als Forscher aber die wissenschaftlichen Studien. Lachclubs wären allerdings eine schöne Möglichkeit, das Lachen noch näher zu untersuchen.

Ist Humor Charaktersache?

Da muss man die Frage stellen: Ist jemand, der v Humor darf man nicht am Lachen festmachen. Oft lebt er von Untertreibung, vom berühmten „Blank face“ des Komikers. Humor ist mehrdimensional. Im deutschsprachigen Raum ist er eher eine Haltung, die jemandem hilft, mit widrigen Lebensumständen umzugehen, um dem Leben eine heitere Seite abzugewinnen. Oft ist das ein Schmunzeln über die Inkongruenzen des Lebens. Ein stilles, heiteres Lächeln.

Aber wir kommen quasi mit einem „Lachen“ auf die Welt?

Alles, was es zum Lachen braucht, ist bei der Geburt schon da – es beginnt dann allerdings erst mit vier Monaten. Da lernt der Mensch, auf verschiedene Auslöser zu reagieren – und zu lachen. Was wir im Laufe des Lebens ebenfalls lernen – die sozialen Regeln des Lachens. Wann es nicht angebracht ist, wann ich es übertreiben muss – und wann ich es unterdrücken sollte.

Gibt es länderspezifische Unterschiede in Sachen Humor?

Wie gesagt: Lachen ist angeboren – also können die Menschen in allen Ländern lachen. Aber wenn man in einem Land lebt, wo alle effizient und fleißig sein müssen, geht das Stereotyp eher Richtung „humorlos“. Dazu gab es vor 15 Jahren eine Studie, der zufolge Länder wie Deutschland, Schweiz oder Japan weniger humorvoll sind. Und würde man es messen, dann sehen wir, dass man in Deutschland Nonsenshumor mehr mag als in England, obwohl der von dort herkommt. In Rumänien schreibt man auf Grabsteine die größten Laster des Verstorbenen, um auf humorvolle Weise darzustellen, wie er war. Das gehört dort dazu, es ist nicht herabwürdigend. Die Menschen lachen über etwas, das ihnen wichtig ist – abhängig von gesellschaftlichen Regeln und Traditionen. Die Situation bestimmt, die Lebensumstände bestimmen, ob Humor Platz hat – oder nicht.

Existiert ein „Ort des Lachens“ im Kopf?

Es gibt nicht „das“ Lach-Zentrum, sondern es ist eine ganze Gruppe von Bereichen daran beteiligt - und es ist auch noch nicht alles erforscht. Lachen ist ein komplexer Vorgang, bei dem Mimik, Akustik, Atmung und Körperbewegungen mitspielen.

Man notiere: Immer am ersten Sonntag im Mai wird gelacht, eine Woche später werden die Mamas gefeiert. Die Lacher haben jedenfalls die auf der Seite, die in einem von weltweit 6000 Lachclubs Mitglied sind. Die haben morgen eine Gaudi, denn Punkt 14 Uhr (MEZ) soll gemeinsam drei Minuten lang gekudert werden.

Rekordverdächtig

Seit 1998 – da fand der erste Weltlachtag im heutigen Mumbai statt – treffen sich die Freunde verordneter Heiterkeit. Das erste Weltlachtag-Meeting außerhalb Indiens gab es im Jahr 2000 in Kopenhagen, wo mehr als 10.000 Menschen am Rathausplatz gemeinsam lachten. Ein Fall fürs Guinness-Buch der Rekorde. Empfehlenswert ist es allemal – Lachen hilft, dem Leben leichter zu begegnen. Seinen Namen verdankt es übrigens den Lautäußerungen: Das Verb lachen – althochdeutsch [h]lahhan – ist lautnachahmenden Ursprungs. Lachen beeinflusst die Körpervorgänge – Stresshormone werden reduziert, Glückshormone ausgeschüttet und das Immunsystem positiv beeinflusst. Allerdings betonen Lachtrainer, wie sehr dem Menschen das Lachen in den vergangenen Jahren vergangen sei: In der Nachkriegszeit wurde noch etwa 18 Minuten pro Tag gelacht – heute geschieht das in unserem Kulturkreis nur mehr an die sechs Minuten täglich. Kinder ausgenommen – die tun es Gott sei Dank noch bis zu 400-mal pro Tag.

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