Von Energiesparblase bis Betriebsgemüse

Von Energiesparblase bis Betriebsgemüse
Gemeinsam statt einsam. Beim Garten Sharing wird im Schwarm gearbeitet. Oft geht es um Modelle für eine bessere Welt.

Car Sharing ist zunehmend gefragt. Zumindest bei den jungen Städtern. Auch Urlaubsresorts werden gemeinsam verwaltet und gemeinsam genutzt. Weil Sharing das Leben nicht nur billiger, sondern auch nervenschonender gestaltet als das dauernde "Sich-Kümmernmüssen" um den eigenen Besitz. Und weil man Gesellschaft und Umwelt in der Regel damit sogar Gutes tut.

Die Sharing-Idee hat auch die Entwicklung von gemeinsam entworfenen Wohnmodellen beflügelt: Wenn man sich im Alleingang die Erfüllung teurer Wünsche nicht leisten kann, tut man es jetzt im Schwarm. Als ein überzeugendes Beispiel lässt sich die "Luxuserschleichung" anführen: Wer sich mit Gleichgesinnten zusammentut, kann sich auch als Durchschnittsverdiener, ohne dicke Erbschaft, den Wunsch vom Wochenendhaus am See erfüllen.

Experten meinen, dass Sharing aber nicht nur zufrieden, sondern sogar glücklich macht. Zumindest nach der Definition des deutschen Glücksforschers und Volkswirts Karlheinz Ruckriegel. "Beim Glück geht es immer um gelungene soziale Beziehungen", stellt er fest, "privat und in der Arbeit".

Einer der erfolgreichsten Schauplätze, an denen geglückte Sozialkontakte fast von allein funktionieren, ist der Gemeinschaftsgarten. Darunter kann man die Selbsternteflächen, auf denen am Stadtrand Gemüse angebaut wird, verstehen, aber auch einzelne Grünsignale, die im öffentlichen Raum für ein gemeinsames Anliegen werben. Wenn also zum Beispiel in Berlin-Kreuzberg ein Anrainer eine Baumscheibe mit bunten Primeln besetzt, um zu signalisieren: bei uns wird nicht nur gekifft. Oder wenn in Wien große Töpfe mit Paradeisern alter Sorten entlang einer Häuserfront in einer verkehrsberuhigten Straße aufgereiht stehen (ohne durch Vandalismus beeinträchtigt zu werden) mit dem freundlichen Hinweisschild: "Hier ist Ernten ausdrücklich erwünscht."

Gegenstrategien

Was die Gärtner treibt, ist das archaische Vergnügen zu pflanzen und zu säen und einen Teil der Nahrung selbst zu produzieren. Sogar für die Betriebskantine, wie der niederösterreichische Unternehmer Ernst Gugler zeigt. Ein anderer, im Biosphärenpark Wienerwald, setzt in seinem Betriebsmodell auf Ertragsteilung mit Hobbygärtnern, genauer gesagt, auf die gemeinsame Nutzung ihrer Blütenernten.

Die Schöpfer der Oase No 8 in Graz, einer Energiespar-Blase, in der treibhausgasreduzierte Lebensmittelproduktion stattfindet, sind besonders ambitioniert. Sichtbar für alle soll der künstliche Lebensraum im öffentlichen Raum einen Denkanstoß geben, mit herkömmlichen Produktionsmethoden zu brechen und neue Wege zu gehen. Darin unterscheidet sich die Grazer Blase von ihrem architektonischen Vorbild, der Oase 7, einer Installation der österreichischen Architekten Haus-Rucker-Co aus dem Jahre 1972, die damit, zumindest ursprünglich, keine ökologischen Ziele verfolgten. Ein gemeinsamer Nenner findet sich hingegen für die Oase No8 und die Biosphere, einen von der Umwelt abgeschotteten künstlichen Lebensraum in der Wüste von Arizona. Den hatte sich ein Ölmilliardär errichten lassen, um die Lebensgrundlagen für die Besiedlung anderer Planeten zu erforschen. Die Grazer hingegen wollen nicht in den Weltraum abheben, sondern die Erde verbessern.

Wissen und Wachsen

Beim Garten Sharing wächst in der Regel mehr als nur das selbst gezogene Gemüse. Ganz nebenbei entsteht eine Atmosphäre, die Integrationsprozessen förderlich ist und den kulturellen Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturen fließen lässt. Der Erfolg des ersten Interkulturellen Gartens, der 1986 im deutschen Göttingen entstanden ist, wurde zum mächtigen Impulsgeber des gemeinsamen Gärtnerns landauf und landab. Nach seinem Vorbild sind auch in Österreich, im Umfeld kirchlicher und sozialer Institutionen, "Flüchtlingsgärten" entstanden, in denen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gemeinsam Beete betreuen und Alltagsthemen teilen können.

- von Ingrid Greisenegger

Neben der beliebtesten Tropenfrucht der Österreicher, der Banane, gedeihen auch noch Ananas und Papayas in der Grazer Radetzkystraße, gleich beim zentralen Jakominiplatz. Das computergesteuerte, Tropenpflanzen-freundliche Mikroklima in der transparenten Kunststoffblase wird durch die Nutzung der Abwärme von Kühlhäusern einer Bäckerei und einer Pizzeria im Hof des Nachbargebäudes ermöglicht (die Temperatur darf nicht unter 12 Grad und nicht über 28 liegen). Die Betreuung der Mini-Tropenfruchtkultur erfolgt durch freiwillige Helfer aus der Nachbarschaft. Es handelt sich also um einen Gemeinschaftsgarten, wenn auch der besonderen Art.
Das Konzept der Betreiber zielt darauf ab, bisher ungenutzte Energiepotenziale in der Stadt zu thematisieren und Fragen zum Umgang mit Ressourcen aufzuwerfen. Der praktische Nutzen für Umwelt und Klima des mittels warmer Abluft energiesparend funktionierenden Ökosystems in der Blase liegt auf der Hand. Die Botschaft an die Passanten auf der Straße lautet: lasst uns exotische Früchte (und nicht nur diese) in Low-Energy-Gewächshäusern vor Ort produzieren, statt sie von weit her zu importieren.

Das Modell lässt sich multiplizieren. Eine Supermarktkette hat eine Umsetzung im großen Stil bereits angedacht.

Oase No 8 ist eine Installation des Architekten Markus Jeschaunig in Kooperation mit Kunst im öffentlichen Raum Steiermark und dem Botanischen Garten der Stadt. www.agencyinbiosphere.com

Im Jahr 2011, als auf der City Farm Schönbrunn das in Österreich einzigartige Junior City Farming startete und mit einem großen Wettbewerb im „Kindergarteln“ gefeiert wurde, gingen auch die Kinder aus der Flüchtlingsnotunterkunft des Arbeitersamariterbundes in Wien Floridsdorf an den Start – und waren unter den Siegern.

Sie hatten gemeinsam mit ihren Eltern zunächst den Brennnessel-Dschungel vor den Fenstern der ehemaligen Bahnarbeiterunterkunft gerodet und einen Gemeinschaftsgarten angelegt. Wo zuvor Gstätten war, pflanzte Julieta aus Armenien Blumen und sammelte Tamara aus Pakistan Blumensamen, die sie, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren sollte, dort aussäen wollte. Der Garten war zugleich der einzige Bewegungsfreiraum für die Kinder aus den engen Notunterkünften.

Der Flüchtlingsgarten ist auch heute noch ein Vorzeigeprojekt und konnte inzwischen an Fläche noch zulegen.16 Familien bauen zur Zeit in den Beeten ihr eigenes Gemüse an. Jeder selbst gezogene Salatkopf für den Mittagstisch ist willkommen. Bei Samen und Jungpflanzen sind die Familien auf Spenden angewiesen, damit die Beete wirklich voll werden können. Chinesen, mit ihrer ausgeprägten Gemüsekultur, lassen sich auch Samen von zu Hause kommen, dann gibt es in Wien-Floridsdorf echt chinesischen Pak Choi.

Michael Priessnitz aus Wolfsgraben in Niederösterreich erzeugt unter dem Label Green Sheep edle Sirupe aus Blüten, Kräutern und frischen Baumwipferln aus dem Biosphärenpark Wienerwald.

Weil ihm Rohstoffe fehlen zur Expansion, diese in Privatgärten aber oft reichlich vorhanden sind (wo sie unbe- achtet bleiben oder nur anteilig geerntet werden), entwickelte Priessnitz eine Geschäftsidee, bei der er selbst, aber auch seine „Gartenpartner“ als Gewinner aussteigen.

Das funktioniert wie folgt. Wer Partner des Gemeinschaftsprojekts werden will, trägt sich zunächst einmal als Blütensammler auf der Green Sheep-Homepage ein. Gleich heute, jedenfalls noch im März. Er versichert, in den letzten drei Jahren keine chemischen Dünger oder Pestizide zum Einsatz gebracht zu haben. Kommt die Erntezeit und wurden die Blüten oder Kräuter, wie vorgeschrieben, in einem Stoffsack oder belüftetem Karton gesammelt (Plastik ist ausgeschlossen), kümmert sich Herr Priessnitz um die Abholung und Verarbeitung. Der Gartenpartner erhält zum Dank für die Kooperation Sirup überreicht, dessen Rohstoff aus seinem eigenen Garten stammt. Bei 4 kg Blüten macht das 8 Flaschen zu je 500 ml. Der Begriff Gemeinschaftsgarten wird durch dieses Modell neu interpretiert: übergreifend, über den Zaun hinweg. www.greensheep.at

„Firmengrün“ gilt als Visitenkarte eines Unternehmens, meist tritt es in Form eines Repräsentations- oder eines Pausengartens für die Mitarbeiter in Erscheinung. Das Kommunikationshaus Gugler hingegen kann mit einem Gemüseacker aufwarten.

Ernst Gugler produziert Druckprodukte nach dem Cradle-to-cradle-Verfahren (sie werden nicht bloß recycelt, sondern fließen in einen biologischen Kreislauf zurück) und entsprechend ökologisch ambitioniert wurden auch die Firmengebäude errichtet und die Freiflächen angelegt. Helmut Butolen, ein bio-vegan wirtschaftender Landwirt aus dem Waldviertel, hat Gugler dabei unterstützt.

Es gibt begrünte Dächer, auf denen man Schnittlauch ernten kann und Biogemüsefelder, nur ein paar Schritte von der Werksküche entfernt. Beim Start der Gemüsekulturen, zum Setzen der 15.000 Jungpflanzen, waren alle Mitarbeiter eingeladen worden, sich gemeinsam mit dem Chef am Acker zu betätigen. Einige helfen auch heute noch beim Bestellen der Felder mit, sogar in Begleitung ihrer Kinder. Damit alles klappt, hat aber Gugler zusätzlich eine Biogärtnerin mit der Aufsicht der Außenanlagen betreut.

Karotten und Erdäpfel werden zugekauft, der Salat kommt zu jeder Mahlzeit frisch direkt vom betriebseigenen Feld.

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