Ur-Urenkel eines Neandertalers entdeckt

Das einem 40.000 Jahre alten Unterkiefer entnommene Erbgut zeigt, dass dieser moderne Mensch vor nur vier bis sechs Generationen einen Neandertaler-Vorfahren gehabt hatte.
Ein Unterkiefer zeigt, dass sich die Menschenarten nicht nur im Nahen Osten vermischt haben.

Sie haben es also wirklich getan: Neandertaler und moderne Menschen hatten einst in Europa Sex und zeugten Nachkommen. "Wir haben sie fast in flagranti erwischt" – Genetiker Svante Pääbo ist begeistert über seine neuesten Ergebnisse, die er und ein Team im aktuellen Nature veröffentlicht haben. Bevor Neandertaler vor zirka 40 000 Jahren ausstarben, teilten sie sich zeitweise mit dem modernen Mensch denselben Lebensraum – und kamen sich auch körperlich näher. Bislang gingen die Forscher davon aus, dass sich die beiden verwandten Arten erst im Nahen Osten vermischt haben – damals wanderten frühe Menschen aus Afrika aus und zogen nach Asien, Europa und in den Rest der Welt. Den Gegenbeweis liefert nun der 40.000 Jahre alte Unterkieferknochen eines modernen Menschen – nebenbei auch der älteste Fund eines solchen. Höhlenkletterer entdeckten die Überreste 2003 in der Oase-Höhle im Südwestens Rumäniens.

Ur-Urenkel

Ur-Urenkel eines Neandertalers entdeckt
Pääbo
Die DNA-Analyse der Knochen zeigte, dass fünf bis elf Prozent dieser Person von Neandertalern stammen – so viel wurde bisher noch bei keinem modernen Menschen entdeckt. Und heißt: Er war vermutlich der Ur-Urenkel eines Neandertalers. Janet Kelso vom Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie und Mitautorin der Studie, hat die große Menge an Neandertaler-Spuren im Erbgut des Kiefers besonders überrascht. "Wir waren sehr aufgeregt, denn das bedeutet, dass einer seiner Vorfahren vor vier bis sechs Generationen, also zirka vor 200 Jahren, ein Neandertaler war."

Über die direkten Nachkommen des Oase-Höhlen-Menschen im heutigen Europa ist allerdings nichts bekannt. "Es kann sein, dass er Teil einer frühen Migration moderner Menschen nach Europa war, die eng mit Neandertalern interagierten, schließlich aber ausstarben", erklärt Mit-Autor David Reich von der Harvard Medical School.

Spuren

Generell hat die körperliche Beziehung zwischen moderne Menschen und Neandertalern bis heute Spuren hinterlassen: Menschen, die ihre Wurzeln außerhalb Afrikas haben, tragen noch immer ein bis drei Prozent Neandertaler-DNA in sich. Dass sich beide Arten ständig miteinander Sex hatten, glaubt Pääbo aber nicht. Dann würden heute viel mehr Menschen das Erbgut von Neandertalern in sich tragen. "Wie häufig solche Vermischung vorkam, können wir nicht genau sagen – nur dass es tatsächlich passiert ist", sagt der schwedische Genetiker. "Wir wissen auch nicht, ob die Vorfahren dieses Menschen aus der Oase-Höhle zusammengelebt haben oder es nur ein One-Night-Stand war."

Er und sein Team wollen künftig herausfinden, wie und wo sich die frühen Menschen und ihre Verwandten gepaart haben. Dazu werden sie weitere Überreste von modernen Menschen untersuchen, auch um das Miteinander der beiden detaillierter zu rekonstruieren.

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