Oh, Amerika!

Oh, Amerika!
Kein anderes Land erzählt seine Geschichte so gut wie die USA. Trump will diese Historie umschreiben – eine Reise dorthin, wo echte US-Geschichte geschrieben wird.

Die hohe Kuppel kennt fast jeder, aus Hollywoodfilmen schon lange, in den Nachrichten ist sie ohnehin dauerpräsent. „Sie ist fast gleich hoch wie die Freiheitsstatue“, sagt Führerin Mallory, sie deutet nach oben. 88 Meter sind es vom Sockel bis zur Spitze des Kapitols, dem demokratischen Herz der USA. Hier fanden die Amerikaner nach dem Bürgerkrieg zueinander, und hier streiten sie bis heute, sagt Mallory. Auch sie arbeitet im US-Parlament, weil sie ihr Land liebt, sagt sie.

Das Geschichtenerzählen, das Geschichte-Erzählen, das können die Amerikaner so gut wie niemand anderer. Wir, die USA, die älteste Demokratie der Welt, das „Land of the free“, heißt es immer, dafür bürgen die Statuen von Lincoln, Roosevelt oder Martin Luther King. Dass das Fundament dafür Unfreie gelegt haben, im Wortsinne, das haben sie aber lange weggeschoben. „Das Kapitol wurde von Sklaven erbaut, dennoch haben sie es ,Tempel der Freiheit‘ genannt“, sagt Mallory. Selbst Präsident George Washington, berühmter Namensgeber der Hauptstadt, hatte selbst gut 400 Sklaven.

Die Schwarze Geschichte

Erst vor wenigen Jahren hat Amerika begonnen, das Verdrängte hervorzuholen, die Schwarze Geschichte der Landes. Gut sichtbar ist sie im African American Museum, das unweit des Parlaments steht: Eröffnet von Barack Obama, dem ersten Schwarzen Präsidenten, ist das Haus ein Monument für all jene, die Sklaverei und Unterdrückung nicht überlebten – und Anker für alle, die heute noch Repressalien erleben.

„Ich kann mich noch erinnern, wie das war“, sagt eine alte Frau, ihre Freundinnen umringen sie. Vor ihr hängen Bilder aus der Segregationsära, sie deutet mit dem Finger auf die Schulkinder auf dem Foto, die nicht im selben Bus wie die Weißen fahren durften. Bis 1954 herrschte Rassentrennung in den USA, der Platz für Afroamerikaner war immer weniger, dreckiger – oder nicht vorhanden.

Ausflüge in und um Washington

Oh, Amerika!

Georgetown

Der älteste Washingtoner Ortsteil ist berühmt für seine Uni, die aussieht wie Hogwarts (Bild), die Architektur und seine Bewohner: In den pittoresken, teils 250 Jahre alten  Holz- und Backsteinbauten lebten die Kennedys, Elizabeth Taylor oder Watergate-Aufdecker Bob Woodward. Architekturführung empfohlen!

Oh, Amerika!

Arlington Cemetery 

Auf dem berühmtesten US-Soldatenfriedhof nahe des Pentagons sind Tausende Veteranen und auch  Präsidenten – etwa John F. Kennedy – begraben. Zuletzt entspann sich eine Kontroverse um ihn,  weil von der Homepage Namen berühmter hispanischer, schwarzer oder weiblicher Veteranen gestrichen wurden.

Oh, Amerika!

Die Memorials

Mit dem Fahrrad lassen sich die übergroßen Denkmäler  Washingtons am besten erkunden: Die „I have a dream“-Statue Martin Luther Kings, der sitzende Abraham Lincoln, das Thomas-Jefferson-Memorial oder das Washington Monument, der berühmte Obelisk – an einem Nachmittag schafft man sie alle.

 

Oh, Amerika!

Die Schlachtfelder

Wer sich raus aus der Hauptstadt wagt, kann die Stätten des US-Bürgerkriegs besuchen. Gettysburg ist das berühmteste Schlachtfeld, schneller ist man aber am Monocacy National in Maryland. Die Stadt Frederick daneben ist auch einen Besuch wert: Mit Backsteinhäusern und Kanälen wirkt der Ort sehr europäisch.

Die dunkelsten Kapitel

Wer das nachfühlen will, kann in einen rassengetrennten Zugwaggon im Untergeschoß des achtstöckigen Gebäudes steigen. Er entführt in die dunkelsten Kapitel der US-Geschichte, daneben hängen Folterinstrumente und Galgen aus der Zeit der Sklaverei; der Ku Klux Klan lässt grüßen. Ein Stück weiter erlebt man, wie Abertausende von Afrika aus nach Westen gekarrt wurden, um zu schuften; zu sehen ist aber auch die starke Gegenwehr. Black Panthers neben Schwarzen Navy Seals, einflussreiche Musiker und die großen Bürgerrechtler. Vor den Bildern und Videos steht eine Einheit der Washingtoner Polizei, sie reden wild durcheinander. Sie alle sind schwarz, so wie die meisten Besucher hier.

Für viele Amerikaner ist das Museum ein längst überfälliger Ort des eigenen Geschichtsbewusstseins. Für Donald Trump ist es das Gegenteil: Er wirft ihm vor – wie auch allen anderen der Smithsonian Stiftung – „Amerikaner auf der Basis der Rasse zu spalten“, und ein „Gefühl der nationalen Scham“ zu provozieren. Per Dekret wies er seine Leute an, „unangebrachte Ideologie“ von allen Stiftungs-Standorten entfernen zu lassen.

Anreise: Entweder direkt mit Austrian Airlines oder mit Air Canada über Toronto, der Flug von Kanada wird wie ein Inlandsflug behandelt.  Unbedingt zuvor Visum oder ESTA beantragen. -Kompensation für Hin- und Rückflug via atmosfair.de: 97 €

Übernachtung und Essen: Cambria Riverside, zentral und leistbar – Zimmer  ab 140 Euro pro Nacht.  Zum Essen empfiehlt sich die Region The Wharf am Potomac River, etwa der Mexikaner Mi Vida (wharfdc.com)

Auskunft: visittheusa.de, visit-usa.at

Der ewige Kulturkampf

Damit hat er den Kulturkampf, der in den USA schon lange tobt, nochmals ausgeweitet. Die 21 kostenlosen Smithsonian-Museen im Herzen Washingtons zählen nicht nur zu den renommiertesten der Welt, sie erzählen auch die Geschichte des Landes: Lincolns berühmter Zylinder liegt dort, Neil Armstrongs Apollo-11-Kapsel und die Spirit of St. Louis, mit der Charles Lindbergh 1927 den Atlantik überquerte, aber auch der originale „Star-Spangled Banner“, jene US-Flagge, die heute in der Nationalhymne besungen wird.

Noch ist die Stiftung nicht eingeknickt, die Museen haben ihre Ausstellungen nicht angetastet. Trump hat währenddessen begonnen, das Washingtoner Stadtbild zu verändern. Der große Black Lives-Matter-Schriftzug auf der Straße direkt vor dem Weißen Haus wurde seinetwegen entfernt. Ein paar Straßen weiter, im African American Museum, sieht man ihn aber noch.

Kommentare