Leeroy Begle, Mykologe
Tirol

Die lebende Pilzdatenbank: Unterwegs mit einem Mykologen im Tiroler Wald

Wer über Pilze ein wenig Bescheid weiß, sieht den Wald im Wanderurlaub anders. Unterwegs mit dem Mykologen Leeroy Begle auf dem Mieminger Plateau.

Der Vollzeit-Mykologe steht mitten im Wald und macht etwas, womit man als Pilz-Laie nicht rechnet: Er blickt nach oben. „Zuerst schaue ich mir immer das Luftbild an“, erklärt Leeroy Begle, der Baumbestand gebe ihm erste Aufschlüsse über das Pilzvorkommen.

Seit Tagen hat es nicht geregnet auf dem Mieminger Plateau in Tirol. Das Moos hält sich tapfer, aber der Waldboden ist staubtrocken. Hier soll man Schwammerl finden? Leeroy, der sich selbst als „Waldläufer“ bezeichnet, klärt den wohl größten Irrtum auf: Pilze sind mehr als die oberirdisch sichtbaren Fruchtkörper, die im besten Fall genießbar und schmackhaft sind.

Im Verborgenen

Denn unter der Erde, im Verborgenen, lebt ein riesiges Geflecht aus Zellen, das Myzel-Netzwerk. Leeroy nennt es liebevoll Wood Wide Web. Pilze sind weder Tier noch Pflanze – und eigentlich überall. „Ein großer Teil der Partikel, die wir einatmen, sind Pilzsporen.“ Aber nachdem die meisten Schwammerlsucher die Pilze lieber essen als einatmen, weiß er auch dafür Rat. „Klar, im Herbst ist der Artenreichtum am größten. Und ohne Regen läuft nicht viel.“

Leeroy ist Vorarlberger, studierte Landschaftsarchitektur, und hat seine Obsession zum Beruf gemacht: Er forscht für das Mushroom Research Center Austria in Innsbruck, unter der Marke „Tyroler Glückspilze“ werden Pilzprodukte verkauft.

Was macht man also mit einem Mykologen im Wald, wenn der Wald justament keine Lust auf Speisepilze hat? Man geht durchs Unterholz und übt sich in Trockentraining.

Gold-Röhrling, Suillus grevillei

Gold-Röhrling

©Getty Images/iStockphoto/RvFf/istockphoto.com

Was in den Korb kommt

Wer es nicht weiß: Der Sommersteinpilz schmiegt sich an Buchen. Und unter Lärchen – von denen es hier auf den geschützten Tiroler „Larchwiesen“ ja viele gibt – wächst der Goldröhrling. „Schmackhaft, die schleimige Huthaut muss aber weg.“ Der Austernseitling hat vor allem im Winter Saison. „Es gibt über zweihundert Pilze, die ich zu Speisezwecken sammle.“ Leeroy ist quasi eine wandelnde Pilzdatenbank.

Info

Anreise
Per ÖBB-Railjet nach  Ötztal Bhf. oder Telfs. Weiter mit dem Postbus oder Hoteltransfer. innsbruck.info

Übernachten
Etwa im Familienhotel „Der Stern“ in Obsteig. hotelstern.at.

1,5 – 2 Millionen Von so vielen Pilzarten  gehen Mykologen aus. Von höheren Pilzen gibt es laut „Heilpilze“ (Verlagshaus der Ärzte)  150.000 bis 1 Mio. 2.000 Arten davon sind genießbar.

In Mitteleuropa sind übrigens an die 6.000 Pilzarten bekannt. „Pilze sind bekömmlich und vielseitig: Man kann sie auch fermentieren, einlegen, einmachen. Man kann mit Pilzen alles machen!“ Vorsicht ist aber geboten. Wenn Schwammerlesser im Spital landen, liege es nicht nur an Verwechslungen mit unbekömmlichen oder giftigen Doppelgängern – oft seien die gesammelten Pilze einfach zu alt.

Pilze sind vielseitig einsetzbar

Während des Waldstreifzugs bis zu den Lärchenwiesen lobt Leeroy die Pilze wie ein Frischverliebter: „Jedes Aroma kann man mit Pilzen nachbauen, Pilze sind die besseren Zitronen.“ Zudem werden sie als Baumaterial eingesetzt. Oder: Pilze zersetzen nicht nur Holz, sie können es auch verbessern – pilzbehandeltes Holz wird im Geigenbau eingesetzt. Und dann sind da die Heilpilze, die schon im Mittelalter unter Apothekern bekannt waren. Nach einer Stunde mit dem Mykologen sieht man die Welt, oder zumindest den Waldboden, mit anderen Augen.

Stefan Hofer

Über Stefan Hofer

Stefan Hofer ist seit 2009 beim KURIER. Schreibt für das Ressort Reise.

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