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Taiwan

Taipeh: Citytrip zwischen Roboter und Räucherstäbchen

In Taipeh zeigen sich die Einheimischen Technologie-verliebt und zugleich abergläubisch. Was die Millionenstadt von anderen asiatischen Metropolen unterscheidet und wo man unbedingt essen sollte.

Er ist etwa 1,20 Meter groß, rund wie eine Tonne und sprechen kann er auch nicht. Trotz himmelblauer Augen ist der rollende Roboter nicht das, was man sich unter einem Kellner vorstellt. Doch „der 368 ist leicht zu handhaben“, sagt Shu-fen an der Rezeption des Traditionsrestaurants „Din Tai Fung“ zu Füßen des 508 Meter hohen Wolkenkratzers Taipei 101. „Ich gebe die Tischnummer ein und der 368 bringt die Gäste an den Tisch“. Wo er stehen bleibt, nehmen die Gäste Platz und der 368 rollt wieder zu Shu-fen an die Rezeption.

Taipeh mit Wolkenkratzer Taipeh 101.

Taipeh mit Wolkenkratzer Taipeh 101.

©Jochen Müssig

Zwischen Technologie und Aberglaube

Die Hauptstadt Taiwans mit gut 2,5 Millionen Einwohnern ist wie eine Wundertüte. Im Restaurant trifft man auf Roboter, doch in den Bussen liegen neben dem Fahrersitz einige Sackerl Kuai Kuai: Bei Kuai Kuai handelt es sich um eine Art Glückssnack, der überall in Taiwan in Autos, zu Maschinen oder auf Server und Computer gelegt wird, „damit nichts passiert“, es zu keinem Unfall, Absturz o. Ä. kommt.

Anreise

Anreise Eva Air fliegt ab  Wien nonstop nach Taipeh, ab 750 €. Bei 13 Stunden Flug lohnt die sehr gute Premium Economy Class, Aufpreis ab 800 € (evaair.com). CO2-Kompensation via atmosfair.de: 65 €. In Taipeh kommt man gut und recht einfach mit der U-Bahn voran. Taxi fahren ist günstig.

Erdbeben gehören zum Alltag und keiner hat Angst, ebenso wenig wie vor den immerwährenden Übernahme-Drohungen aus Peking. „Die höre ich schon seit Kindheitstagen“, sagen fast alle, auch Shu-fen: „Daran haben wir uns gewöhnt …“ Und so treffen in der Stadt der Halbleiter eine spürbar dominierende Technologie-Verliebtheit auf Fatalismus und Aberglauben, tief verehrte Buddha-Köpfe auf modernes Leben. Fernost-Coolness, sicher und sauber: „100 ist perfekt“, sagen die Taiwaner, „101 ist aber noch besser“. Deshalb bekam das bis 2007 höchste Gebäude der Welt 101 Stockwerke. Zurzeit liegt Taipei 101 auf der Liste der Größten auf Rang elf. Seine Höhe: 508 Meter.

Eine 660 Tonnen schwere Kugel sorgt für Ruhe

Pendelkugel im Taipei 101

Pendelkugel im Taipei 101

©Jochen Müssig

Der Turm sieht aus wie eine riesige, schmale Pagode, in der 10.000 Angestellte arbeiten. Und von der offenen Aussichtsplattform sieht man: Taipeh ist keine Schönheit. Hochautobahnen und Hochhäuser als Zweckbauten bestimmen das Bild, zumindest auf den ersten Blick. Der schnellste der 63 Aufzüge katapultiert einen mit 17 Metern pro Sekunde in den 89. Stock. Dank künstlichem Druckausgleich spürt man nichts von der rasanten Fahrt nach oben. Dort oben hängt eine 660 Tonnen schwere Pendelkugel aus Stahl, die den Turm bei Erdbeben im Gleichgewicht hält. In der Spitze kann es bei Erdbeben Schwankungen bis zu 1,30 Meter geben!

So wichtig wie der One-O-One ist auf ganz andere Weise der Tempel Longshan. „Die Alten gehen fast täglich hin, die Jungen nur wenn nötig“, sagt Salome, die Stadtführerin. „Etwa wenn eine Prüfung ansteht oder ein Vorstellungsgespräch, wenn man krank ist oder die Liebe wehtut“. Was auffällt: Es gibt keine Räucherstäbchen im Tempel, was in chinesischen Tempeln eigentlich unvorstellbar ist, aber auch im ältesten Tempel der Stadt dürfen sie nicht mehr glimmen, um die Luft nicht noch mehr zu verschmutzen. Dem aktiven religiösen Leben tut die ökologische Umsicht keinen Abbruch.

Longshan-Tempel in Taipeh.

Longshan-Tempel in Taipeh.

©Jochen Müssig

Mittendrin statt nur von oben

Taipeh hat nicht so viele Tempel wie Bangkok, gehört auch nicht zu den asiatischen Megametropolen, ist viel kleiner als Manila, nicht so schön wie Hongkong, weniger aufgebrezelt als Singapur, nicht so dreckig wie Jakarta, weniger hektisch als Tokio und hat weniger Motorräder als Saigon. Auch wenn man Letzteres am sogenannten Scooter-Wasserfall der Taipei Bridge nicht glauben mag, wo während der Rushhour Hunderte Roller wie ein Wasserfall in den Verkehrsfluss der Stadt drängen, die sich auch an der Taipei Bridge als Wundertüte erweist. Mittendrin sieht halt doch alles anders aus als von oben ...

„Wir erkennen Festland-Chinesen sofort an der Kleidung“

An der Chiang-Kai-shek-Gedächtnishalle trifft man viele Festland-Chinesen, die sich die monumentale Halle und die große Bronze-Statue von dem Mann anschauen, der China gespalten hat. „Wir erkennen Festland-Chinesen sofort an der Kleidung“, sagt Salome. „Die sind so schrecklich altmodisch!“ Chiang Kai-shek war einst der Gegenspieler von Mao und proklamierte 1949 auf Taiwan die provisorische Regierung der Republik China. Er ist somit der Staatsgründer von Taiwan, wird jedoch von den Taiwanern gehasst, weil er bis zu seinem Tod als Diktator herrschte. Ein Grund, warum die Chiang-Kai-shek-Gedächtnishalle offiziell umbenannt wurde in Nationale Taiwan-Demokratie-Gedenkhalle.

Derzeit kennen nur elf Staaten, allesamt kleine Länder mit zusammen nicht einmal vierzig Millionen Einwohnern, sowie der Vatikan den souveränen Staat Taiwan an. Auch Österreich unterhält keine diplomatischen Beziehungen. Den blauen Augen von Roboter 368 im „Din Tai Fung“ ist Politik egal: Er bringt Taiwaner, Festland-Chinesen und Langnasen an den Tisch.

Tipp für Nachtschwärmer

Für Langaufbleiber sind übrigens die Nachtmärkte ein Tipp: Jeder von ihnen – es soll mehr als 300 in Taipeh geben! – bietet Dutzende von Essensständen mit bestem Street Food. Dort gibt es vom Austernomelette über Stinktofu bis zum Taiwantoast alles Mögliche. An Grillstationen sucht man sich Fleisch, Fisch oder Krustentiere selbst aus der Auslage. Am besten nimmt man den zum Hotel nächstgelegenen Nachtmarkt, denn sie sind alle gut.

Nightmarket in Taipeh

Nightmarket in Taipeh

©Taiwan Tourism Administration

Infos und Adressen

101 Stockwerke hat der Wolkenkratzer „Taipei 101“.

Unterkunft
– „MGallery“, modern-schickes Hotel im Zentrum, ab 200 €/Nacht, mgallery.accor.com/de.html 
– „Grand Hotel“, Traditionshotel mit 500 Zimmern im Pagoden-Stil, ein Wahrzeichen der Stadt, ab 250 €/N., grand-hotel.org

Dim Sum
sind Köstlichkeiten, die das Herz berühren. So lautet die Übersetzung für die Teigtäschchen mit den unterschiedlichsten Füllungen, die meist gedämpft im Bambus-Körbchen serviert werden. Von den Kantonesen erfunden, in Hongkong zügig verfeinert und  hier mit taiwanischem Twist versehen.

Lokaltipps
– „Din Tai Fung“, Taipehs bestes Dim-Sum-Restaurant. Trotz vieler Outlets immer lange Wartezeiten, keine Reservierungen, dtf.com
–  „Mipon“ mit bester taiwanischer Küche, trotz 1 Michelin-Stern bleibt jedes mehrgängige Menü unter 100 €, grandmayfull.com/dining/mipon

Reisezeit
Oktober bis April ist am besten. Die schwüle Sommer- und Taifunzeit besser meiden. Mehr Infos auf taiwantourismus.de

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