Sardinien: Ein Menü für Grazia Deledda
Gewiss, in erster Linie ist Italiens zweitgrößte Insel für Strände, Segel- und Surfreviere bekannt. Wer das „echte“ Sardinien mit vielerorts naturbelassener Berglandschaft, historischer und zeitgenössischer Kunst sowie zahllosen kulinarischen Genüssen kennenlernen will, sollte aber die Zentralregion Barbagia erkunden. Der hier bis in den Dezember anhaltende Herbst ist eine gute Gelegenheit dafür. Da wäre etwa Nuoro.
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Sardinien im Herbst
Eingebettet zwischen auch jetzt noch grünen Hügeln, bietet die Kleinstadt eine erstaunliche Dichte an Kunst. Hier hat der Bildhauer Costantino Nivola einem ganzen Platz – die Piazza Sebastiano Satta – mit zahlreichen winzigen Bronzen auf riesigen Granitsockeln ein neues Gesicht gegeben.
Die Stadt hat mehrere Museen, das Museo d’Arte Provincia di Nuoro (MAN) sticht heraus: Derzeit (bis 12. November) ist unter anderem eine kleine, aber feine Schau mit Plastiken von Henri Matisse zu sehen.
Abseits der bildenden Kunst dreht sich in der Provinzhauptstadt Nuoro alles um die hier geborene Grazia Deledda, die 1926 als erste Italienerin mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Es gibt Murals mit Deleddas Antlitz, ihr Geburtshaus wurde zum Museum umgestaltet und in einigen Restaurants der Stadt werden auf Wunsch sogar Menüs nach den Vorlieben der Schriftstellerin zusammengestellt. Nach mehreren Gängen deftiger sardischer Küche lässt sich sagen, die Dame hatte Geschmack.
Banditen und Graffiti
Im Bergdorf Orgosolo muss man kein Museum besuchen, um Kunst zu erleben – sie ist sprichwörtlich auf jeder Hausmauer zu sehen. Bis in die 1960er hinein galt Orgosolo als Hochburg lokaler „Banditi“, die, von Verstecken in den Bergen aus operierend, immer wieder bewaffnete Nadelstiche gegen Gutsbesitzer und die italienische Zentralgewalt setzten.
Zunächst, als Zeichen des Widerstands, sind im Dorf immer mehr politische Wandgemälde entstanden. Im Lauf der Zeit kamen Street-Artists aus der ganzen Welt nach Orgosolo und setzten die Tradition mit modernen Motiven fort.
Heute ist das Dorf eine große Galerie mit Wandgemälden, die das politische Weltgeschehen der vergangenen sechzig Jahre widerspiegeln – von lokalen Demonstrationen bis zu „Free Assange“.
Auf ins Bergdorf
Das Festival „Autunno in Barbagia“ stellt die Dörfer und Kleinstädte der Region in den Mittelpunkt. Jedes Wochenende putzt sich ein anderer Ort fein heraus. Bei diesem Besuch war es – nach einer Anfahrt mit zahllosen Serpentinen – das 1.800-Einwohner-Bergdörfchen Tonara: Da werden Höfe und Werkstätten geöffnet, schmale Gassen festlich geschmückt, überall gibt es (Kunst-)Handwerk zum Bestaunen und Erstehen.
Und natürlich werden zahllose Spezialitäten feilgeboten, oft von den Dorfbewohnern selbst produziert: Zu den herbstlichen Leckereien zählen grobe Wildschweinsalami, köstlich intensive Steinpilzcreme (Crema di Funghi Porcini) und die ersten Maroni der Saison, ob frisch geröstet oder als Crema di castagne.
Viele Gastgeber tragen historische Kostüme oder traditionelle Tracht, oft über Generationen weitergereicht. Die Besucher – großteils Sarden – wissen es zu schätzen und strömen zu Tausenden durch das im Rest des Jahres tief abgelegene Bergdorf.
C wie Cucina
Agnello (Lamm)
Die sardische Küche ist fleischlastig – Basis vieler Gerichte ist Ziege, Spanferkel und vor allem Lamm. Das kommt als Secondo Piatto (Hauptgang) geschmort, gebraten, gegrillt oder als Prima Piatto (Zwischengericht) zu intensiv-würzigen Füllungen und Pasta-Saucen verarbeitet auf den Tisch.
Formaggio (Käse)
Schaf- und Ziegenmilch sind die häufigsten Ausgangsprodukte. Die Palette reicht vom Pecorino bis zu archaischen Sorten, die es nur auf Sardinien gibt – wie den von Maden durchzogenen Casu Marzu – oder Su Callu, ein seit Urzeiten hergestellter Käse aus dem Lab-Magen eines Milchzickleins.
Dolce (Dessert)
Wer Süßes liebt, wird auf der Insel fündig: Von Seadas (in Olivenöl herausgebackene Teigtaschen mit Honig) über Semifreddo-Variationen und Maroni-Creme bis zu Torrone, der klebrig-süßen italienischen Variante des Türkischen Honigs – produziert in sardischen Bergdörfern.
Pane Carasau (Brot)
Die Schweden haben Knäckebrot, die Sarden stellen seit Jahrhunderten Pane Carasau her: Ein kreisrundes, hauchdünnes Brot aus Weizenmehl, bei hoher Temperatur zweimal gebacken. Einst diente es den Hirten als haltbarer Brotvorrat, heute sind die knusprigen Fladen in jedem Brotkorb zu finden.
Info
Anreise
Derzeit gibt es keine Direktflüge von Österreich nach Sardinien. Man kann z. B. in Mailand umsteigen oder alternativ die komfortable Nachtfähre von Livorno nach Olbia nehmen. mobylines.de
Sardischer Herbst
Das Kultur- und Genuss-Festival „Autunno in Barbagia“ läuft noch bis 17. Dezember. Jedes Wochenende stellen sich ein bis zwei Dörfer oder Kleinstädte vor.
Info: cuoredellasardegna.it und sardegnaturismo.it/de
Unterkunft
Im Hotel Sandalia in Nuoro kostet das DZ inklusive Frühstück im November ab 105 €, hotelsandalia.com
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