
Kult-Hotel in London: Wenn Agatha Christie zweimal klingelt
Nahaufnahme.
Rauchig herb und schwer wie dicker Waldhonig hängt Louise Balkwills Stimme in der Luft. Zum tiefen Brummen des Kontrabasses singt sie von der „Musik vergangener Jahre“. Und diese Liedzeile von Hoagy Carmichaels „Stardust“ passt vielleicht an keinen Ort so gut, wie in diesen holzvertäfelten Drawing Room.
London ist voll historischer Prunkbauten, und doch heben sich manche Häuser noch einmal in Grandeur und Geschichtsträchtigkeit ab.
Wer im noblen Stadtteil Mayfair von der geschäftigen Piccadilly in die schmale Albemarle Street einbiegt und bei der Nummer 33 durch die Glastür tritt, wandelt auf einem Parkett, das sowohl der frühere US-Präsident Theodore Roosevelt als auch Erfinder Alexander Graham Bell oder Krimi-Meisterin Agatha Christie bereits betreten haben.
"Das war Agatha Christies Lieblingstisch"
Beim Besuch ist es Donnerstagabend, Jazz Night im Brown’s, und so führt der Concierge durch eine Tür rechter Hand in den Drawing Room. Weil die Musiker noch ihre Instrumente einrichten, geleitet der Hotelmitarbeiter zu einem Steintischchen im hinteren Eck des Zimmers, malerisch in einer Koje positioniert. „Das“, verrät der Concierge, „war Agatha Christies Lieblingstisch.“ Hier trank die Krimiautorin Earl Grey Tea zu Scones mit Feigenmarmelade. In ihrem Roman „Bertrams Hotel“ schimmert das Brown’s dann auch deutlich durch – abgesehen vielleicht von dem Umstand, dass das Hotel im Buch ein Hort des organisierten Verbrechens ist.
Von Kipling bis King
Die englische Krimiautorin war dabei nicht der einzige literarische Stammgast. Für Rudyard Kipling wurde das Brown’s zum zweiten Wohnzimmer, Mark Twain spazierte im Bademantel durch die Lobby und Stephen King schrieb hier den Entwurf seines Romans Sie.
Top 3 in Mayfair
H. R. Higgins Für den königlichen Tee- und Kaffeegenuss zu Hause: ab in die 79 Duke Street. Hier stocken sogar Royals ihren Kaffeevorrat auf.
Hedonism Wines Die Wein- und Spirituosenimporteure haben sich durchgekostet und bieten die edelsten Tropfen in 3/7 Davies Street an.
Charbonel et Walker Nicht nur Englands erste, sondern auch feinste Chocolaterie, in 28 Old Bond Street. Köstliche Pralinen, wunderbar verpackt.
Bell am Apparat
Doch der wohl bedeutendste Moment des Hotels ist einem anderen Pionier zuzuschreiben. 1876 soll Alexander Graham Bell mit großer Handtasche samt Instrumenten und Kabeln im Hotel aufgetaucht sein. Tags darauf – in Vorbereitung seines Treffens mit der britischen Regierung – dürfte er vom Hotel aus im sechs Kilometer entfernten Privathaus der Hotelbesitzerfamilie Ford angerufen haben: der kolportierte erste Telefonanruf des Landes.
„And I “, singt Louise Balkwill im Drawing Room, „am once again with you“. Hier verschmelzen Vergangenheit und Gegenwart für einen Moment.
Kommentare