Mythos Großglockner: Warum die Pasterze bis heute fasziniert

Die Gletscher ziehen sich weltweit zurück – auch die Pasterze.
Zusammenfassung
- Der Großglockner ist der höchste Berg Österreichs und ein faszinierendes Ziel im Nationalpark Hohe Tauern.
- Die Pasterze, einst ein mächtiger Gletscher, ist heute ein Mahnmal des Klimawandels mit starkem Rückgang.
- Die Großglockner-Hochalpenstraße, gebaut während der Weltwirtschaftskrise, ist ein technisches Prestigeprojekt und zieht jährlich viele Touristen an.
Bis zum Ende der Monarchie 1919 galt der Ortler mit 3.905 Metern als höchster Berg Österreich-Ungarns. Jetzt ist er nur mehr der dritthöchste Berg Italiens, nach dem Mont Blanc (4.808 Meter, der ja genau an der Grenze mit Frankreich liegt) und dem Gran Paradiso (4.061 Meter, im Aostatal).
Heute, das weiß jedes Schulkind, ist der höchste Berg Österreichs der Großglockner mit 3.798 Metern. Und wir Österreicher sind stolz auf den massiven Berg im Nationalpark Hohe Tauern. Einst galt er als unnahbares Naturmonument – heute ist er ein Ort der Begegnung zwischen Alpinismus, Massentourismus und Klimawandel. Im Jahr 1800, in einer Zeit, in der Berge noch als gefährlich und gottverlassen galten, schickte sich eine Gruppe von Klerikern, Wissenschaftlern und einheimischen Führern an, den Gipfel zu bezwingen. Es ist eine Expedition unter Fürstbischof Franz Xaver von Salm-Reifferscheidt, die mehr als nur Neugier antreibt. In einer Phase wachsender Wissenschaftsgläubigkeit konnte bewiesen werden, dass auch dieser Gipfel besiegt werden kann.

Die Gipfelbesteigung ist eine anspruchsvolle Hochtour, die alpine Erfahrung, Ausrüstung, Trittsicherheit und Kondition erfordert. Nächtigen kann man dafür auf der Erzherzog-Johann-Hütte (Adlersruhe) – auf 3.454 Meter Höhe.
Mahnmal
Zu Füßen des Gipfels liegt die blau-türkis schimmernde Pasterze, damals ein gewaltiger Gletscher, der wie ein gefrorener Strom in die Tiefe fließt. Über Jahrhunderte galt die Pasterze als unvergänglich. Heute aber ist sie zum Mahnmal des Klimawandels geworden: Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat die Pasterze mehr als die Hälfte ihrer Länge verloren – jährlich schmilzt sie um Dutzende Meter zurück. Was früher ewiges Eis war, ist nun nur mehr schroffes Gletschervorfeld.
Und doch bleiben Großglockner und Pasterze faszinierend: Vom Aussichtspunkt Kaiser-Franz-Josefs-Höhe bestaunen jährlich 1,5 Millionen Besucher den Gletscher – und werden so gleichzeitig Zeugen seiner schwindenden Größe.
Der dritte gute Grund, warum so viele Besucher jährlich zur immer kleiner werdenden Gletscherzunge pilgern, ist Ergebnis einer politischen Maßnahme während der Weltwirtschaftskrise gegen die damals vorherrschende Massenarbeitslosigkeit: Von 1930 bis 1935 bauten einige Tausend Arbeiter aus der Region die Großglockner-Hochalpenstraße. 48 Kilometer Asphalt winden sich durch die Hohen Tauern, überwinden 36 Kehren mit teils spektakulärer Aussicht und führen bis zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe auf über 2.500 Meter – damals noch direkt zum „ewigen Eis“.
Anreise: Mit der Bahn bis Bruck-Fusch (Tauernbahnstrecke zwischen Salzburg und Kärnten). Dann weiter mit dem Glocknerbus oder Linienbussen Richtung Fusch/Ferleiten. Ein spezieller Ausflugsbus fährt ab Zell am See, Kaprun, Fusch oder Bruck hinauf.
Die 1.500 Höhenmeter können auch mit dem Fahrrad bewältigt werden. Von E-Bikes wird abgeraten – dafür reicht die Batterie eher nicht.
Wenn der Weg das Ziel ist
Für das kleine, junge Österreich war die Straße ein technisches Prestige und „Selbstbehauptungsprojekt“ – um der Welt zu zeigen, dass wir so etwas leisten können. Weshalb die Glocknerstraße auch heute noch eine gewisse identitätsstiftende Dimension hat. Heute ist die Straße, also der Weg, oft schon das Ziel vieler Touristen, und jährlich Höhepunkt der „Tour of Austria“, wie die Österreich-Radrundfahrt seit dem Jahr 2022 heißt.

Die Hochalpenstraße: Durchschnittlich 250.000 Fahrzeuge pro Jahr schlängeln sich die bestens ausgebaute, 48 Kilometer lange, mautpflichtige (E-Autos zahlen etwas weniger) Hochalpenstraße hinauf.
Rund um den Großglockner hat sich ein vielschichtiger Tourismus entwickelt, von alpinen Hochtouren über Gletscherwanderungen bis hin zu Ausstellungen und Murmeltiersafaris auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. Im Nationalpark Hohe Tauern, dem größten Schutzgebiet der Alpen, werden die Besucher nicht nur geführt, sondern auch aufgeklärt: über Natur, Geologie und die Folgen der Erderwärmung. Denn gleichzeitig wird sichtbar, wie fragil das Hochgebirge geworden ist. Der Rückgang des Eises verändert Wanderwege und lässt den Fels instabil werden.

Im Gradonna Mountain Resort in Kals am Großglockner kann man sich etwa in einer der Turmsuiten auf über 1.350 Meter Seehöhe kulinarisch und im Wellnessbereich bestens verwöhnen lassen. Infos zum 4*s-Hotel: gradonna.at
Fürchterliche Sage
Übrigens wurde die Vergletscherung des Glocknergebietes in alten Sagen als Strafe für die Verschwendungssucht der Bauern gesehen, das mit seinem gesamten Umfeld zu Eis erstarrte. Einer Variante dieser Sage nach verwandelte ein Zauberer vom Hundstein (östlich von Zell am See) erst das Wiesbachhorn (ebenfalls ein Gipfel der Glocknergruppe) in einen Gletscher, bevor er wegen seiner Unnachgiebigkeit den von ihm Bestraften gegenüber selbst im Eis, der Pasterze, eingekerkert wurde.
Gut möglich, dass der Bestrafte also bald ausapert.
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