
Der erste vegane Höhenweg der Alpen: Hier isst man auch auf Hütten pflanzlich
Die Gesäuse-Hüttenrunde ist der erste vegane Höhenweg der Alpen. Sechs Hütten haben dort zumindest ein pflanzliches Gericht auf der Karte.
Das Gesäuse hat mit elf Schutzhütten, sieben Selbstversorgerhütten und zehn bewirtschafteten Almen die höchste Hüttendichte der Ostalpen. Seit 2025 bieten sechs Hütten auf der klassischen Hüttentour auch vegane Küche.
Links tost die Enns bergab, rechts führt der Wanderweg 601 hoch zur Sulzkarhütte und zur Hesshütte, dem heutigen Tagesziel. Vier bis fünf Wanderstunden und mehr als tausend Höhenmeter klingen schweißtreibend, doch der Aufstieg ist genussvoll: Ein Bach rauscht, die Wiesen duften, man begegnet Schmetterlingen und Kühen. Links ragt das „Matterhorn des Gesäuses“, der 2.217 Meter hohe Lugauer, in den Himmel. Die Sulzkaralm ist von einem Felswand-Amphitheater umrahmt. Ab Mai bewirtschaftet hier der Burgenländer Michael Kassowitz mit seiner Familie die Alm, sorgt für die Tiere und organisiert den Alm-Alltag. „Wollt ihr einen kühlen Radler vor dem nächsten Anstieg“, fragt er und erzählt vom sommerlichen Familienleben auf der Alm (seine Frau und die Kinder kommen nach) und vom neuen Almglück nach seinem stressigen Job davor. Weiter geht die Tour, am Horizont wartet der markante Felsen des Sulzkarhundes mit dem letzten Anstieg zur Hesshütte.
Linsen ohne Speck
„Grias eich“ begrüßt Poldi Aigner. Seine polnische Frau Kazimiera Kozik-Aigner betreibt mit ihm gemeinsam seit einigen Jahren die Hesshütte mit viel Engagement und weithin bekannt guter Küche. Sogar polnische Schmankerl gibt es mittlerweile am Berg. Hier muss alles mit dem Hubschrauber oder zu Fuß antransportiert werden. Seit Mai dieses Jahres finden sich auch vegane Gerichte auf der Speisekarte. „Das wird gut angenommen und bleibt. Früher schleppten Veganer ihre Speisen mühsam im Rucksack herauf. Jetzt bekommen wir vegane Vorbestellungen per Anruf oder Mail, Tendenz steigend“, ist Aigner zufrieden.

Auf einer Hüttentour durch das Gesäuse kommt man auf der Hesshütte vorbei. Dort wird jetzt auch vegane Küche serviert.
©Sepp PuchingerServiert wird ein herzhafter „Hesshütten Linsen-Gemüse-Eintopf“, als Nachspeise gibt es veganen Kaiserschmarrn. Dazu passt nach dem steilen Anstieg ein „Elektrolytkrügerl“. Das Hesshüttenbräu wird eigens für die Hesshütte hergestellt.

In der Hesshütte wird auch veganes Essen serviert: Zum Beispiel ein herzhafter Linseneintopf.
©Sepp PuchingerNachhaltig wirtschaften
„Mit Linsen, viel Gemüse, Kartoffeln, Knödeln, Kräutern und Nudeln lassen sich wunderbare Gerichte kreieren“, fährt der Hüttenwirt fort. „Und natürlich gibt es weiterhin die klassische Küche, auch da versuchen wir, kreativ zu sein.“
Poldi gibt einen kurzen Einblick über den Lebensmittelverbrauch der Hütte: Zehntausend Eier und siebenhundert Kilo Mehl sind eindrucksvolle Zahlen. Das Brot wird hier oben auf 1.699 Meter selbst gebacken. Mit einer Photovoltaikanlage und einem großen Holzofen versuchen die Wirte möglichst nachhaltig zu agieren. Draußen dankt ein Tausend-Sterne-Himmel diese Umsicht, das Gesäuse gilt als Paradies für „Sternengucker“.
Bergsteigerfriedhof
Am nächsten Morgen treibt es die Berggeher zeitig aus den Federn. Gestärkt mit Porridge, selbst gebackenem Brot und veganem Aufstrich geht es munter zum 2.191 Meter hohen Zinödl-Gipfel mit Panoramablick. Hochtor und Lugauer dominieren hier die Bergwelt. Der Blick fällt auch zurück nach unten auf den Ennsecksattel mit der Hesshütte. Der Gesäusepionier und Autor Heinrich Heß setzte sich mit der nach ihm benannten Hütte ein Denkmal. Ab 1893 war die Hütte Ausgangspunkt für die Erschließung der Ennstaler Alpen, das Gesäuse wurde zum Mekka für Kletterer und Wanderer in den Ostalpen.
Bei der Rückkehr löscht eine „Gesäuse-Perle gespritzt“ den ersten Durst. Das klassische Kracherl feiert im Gesäuse gerade ein Revival. Zehntausend Biere werden hier oben gezapft, auch das verschweigt Poldi bei der Verabschiedung nicht.
Im Bergsteigerdorf Johnsbach und den umliegenden Hütten hat sich früher die Kletterelite der Ostalpen ein Stelldichein gegeben, am berühmt-berüchtigten Johnsbacher Bergsteigerfriedhof fanden abgestürzte Alpinisten ihre letzte Ruhe. Zahlreiche Grabsteine erzählen hier eine traurige Alpingeschichte. Eine seit 1810 geführte Verunglücktenliste enthält Hunderte Namen.

Am Johnsbacher Bergsteigerfriedhof fanden abgestürzte Alpinisten ihre letzte Ruhe.
©Sepp PuchingerJeden Tag ein veganes Gericht
In gut zweieinhalb Stunden ist vom Bergkirchlein in Johnsbach die Mödlinger Hütte auf angenehm schattigen Waldwegen erreichbar. Vor der Hütte wächst der Reichenstein in den Himmel, vis-à-vis thront der Ödstein mit seinen mächtigen Flanken. Seit einigen Jahren sind Irmgard und Heinz Rieger hier die guten Hüttengeister. Gute Küche gehört zum Erfolg dazu. „Bis neunzehn Uhr werden Bestellungen aufgenommen, eine vegane Speise steht immer auf der Tipp-des-Tages-Speisekarte“, erzählt Irmgard.

Wirt und Wirtin der Mödlinger Hütte probieren immer wieder neue vegane Gerichte aus.
©Sepp PuchingerLinsen mit Knödel, vegane Spätzle, vegane Teigtascherl und Spaghetti mit Pesto sind hier die veganen Klassiker, dazu gibt’s Apfelstrudel und Kaiserschmarrn für die „Süßen“. „Probiert unbedingt unseren Linsenaufstrich und das Gemüse zum Frühstück“, rät Heinz. „Mittlerweile wird die vegane Küche in eigenen Workshops vom Alpenverein thematisiert, zuletzt hat uns ein nepalesischer Koch das Nationalgericht Dal Bhat – Reis, Linsensuppe, Gemüse und Kartoffel – vorgestellt“, sagt Irmgard. Man darf gespannt auf zukünftige Speisekarten blicken.
Siebzigtausend Bücher
Später führt der Weg runter in die Kaiserau, das Sammeltaxi bringt bequem zurück nach Admont. Im Benediktinerstift Admont arbeiten, beten und lesen sechsundzwanzig Mönche, hier leben neunhundertfünfzig Jahre Klostergeschichte.

Die größte Klosterbibliothek der Welt ist im Stift Admont
©Sepp PuchingerIm großen Schatz, in der weltgrößten Klosterbibliothek, sind siebzigtausend Bücher sichtbar, bleibt beim ersten Anblick der Mund offen. Die Fresken und Skulpturen der Bibliothek gelten als eines der großen Gesamtkunstwerke des europäischen Spätbarocks. Im Klostergarten lassen sich die Eindrücke der letzten Tage mit Blick auf das „Gseis“ verarbeiten.
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