Junge Winzer und Old Shatterhand im Elbland
Radeln oder wandern entlang der Elbe, hinein in die Wälder und auf die Weinberge, ein Rundgang in Aschenbrödels Märchenschloss und am Ende eine Weinverkostung im Elbland.
Es ist nicht nur eines der kleinsten Wein-Anbaugebiete Deutschlands, sondern auch das mit den meisten Hobbywinzern. Einer von ihnen ist Tourguide Marcel Beier. Statt eines Gemüsegartens pflegt er hinterm Haus seine vierhundert Rebstöcke. „Von den tausendfünfhundert Winzern in Sachsen sind nur etwa achtzig Haupt- oder Nebenerwerbswinzer.“ Die paar Hundert Liter Wein, die in Lohnkeltereien oder Genossenschaften gepresst und in Flaschen gefüllt werden, behalten sich die privaten Weinhauer für den Eigenbedarf.
Marcel führt seine Gäste durch die Gassen von Radebeul, eine ruhige, idyllische Stadt, die nahtlos an Dresden grenzt. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind die Villen und Gärten leicht erreichbar.
Weingärten in Radebeul.
©Gurmann MariaDie Stadt der Millionäre
„In einem Zeitungsartikel wurde Radebeul die Stadt der Millionäre oder Goldstaubviertel genannt. Wohl weil hier unter den dreißigtausend Einwohnern knapp zweihundertzwanzig Millionäre leben.“ Mit einem Augenzwinkern freut sich Marcel, die Reisegruppe mit Superlativen zu unterhalten.
Die Gassen von Radebeul.
©Gurmann MariaRadebeul bezeichnet er als das sächsische Nizza – na gut, es gibt eine Nizzastraße. Das bekannte Weindorf Diesbar-Seußlitz, wo Marcel wohnt, sei die sächsische Riviera, weil dort der Frühling etwas früher kommt und der Sommer länger dauert. Und den Burgberg von Meißen preist er als Akropolis Sachsens an.
Winzertour in Radebeul.
©Gurmann MariaDurchaus bekannt ist die Bezeichnung Dresdens seit dem 19. Jahrhundert als Elbflorenz, weil es eine malerische Lage mit einer besonderen Lichtstimmung an der Elbe hat, eine prachtvolle, barocke Architektur aufweist und für seine wertvollen Kunstsammlungen bekannt ist.
Der Spaziergang durch Radebeul führt zu einem kleinen Museum, das vor allem von Old-Shatterhand- und Winnetou-Fans besucht wird. Aus den Villen Shatterhand und Bärenfett, in denen der berühmte Schriftsteller einst wohnte, wurde das Karl May Museum. Gezeigt werden seine Original-Wohnräume und die Ausstellung über die Kultur und das Leben der indigenen Nordamerikaner.
Karl May Museum in Radebeul.
©Gurmann MariaWeiter geht es bergauf Richtung Spitzhaus, das über den Radebeuler Weinbergen seit dem Jahr 1622 thront. Es ist das älteste Lusthaus in der Lößnitz und beherbergt heute ein Restaurant mit Rundumblick auf das Elbland.
Spitzhaus in Radebeul.
©Getty Images/iStockphoto/typo-graphics/istockphoto.comVon der Lust zum Lauf
Berühmt sind vor allem die 397 Stufen, die direkt zum Spitzhaus führen. Seit 2001 findet hier alljährlich der Internationale Spitzhaustreppenlauf statt. Hundert Auf- und Abstiege über 39.700 Stufen müssen bewältigt werden, das sind 84,39 Kilometer und 8.848 Höhenmeter. So hoch wie der Mount Everest. Deshalb wird der Lauf auch Mount Everest Treppenmarathon genannt. Der Rekord bei den Männern liegt bei dreizehn Stunden und sechsundzwanzig Minuten.
Radebeul bei Dresden.
©Gurmann MariaDie Kraft und Zeit haben Touristen nicht. Sie spazieren lieber an den historischen Villen, liebevoll restaurierten Fachwerkbauten und denkmalgeschützten, reichlich im sächsischen Zopfstil verzierten Häusern vorbei.
Gut beschilderte Rad- und Wanderwege im Elbland rund um Dresden.
©Gurmann MariaEinige Pausen bei den örtlichen Winzern und Besenwirtschaften (mit Heurigen in Österreich vergleichbar) sind entlang der Wanderwege Pflicht. Hauptsächlich Weißweine werden auf unterschiedlichen Böden aus Löss bis Syenit angebaut. Zwischen Pirna und Diesbar-Seußlitz reifen auf einer Gesamtlänge von fünfundfünfzig Kilometern insgesamt sechsundsechzig verschiedene Sorten.
Schloss Wackerbarth.
©Gurmann MariaJungwinzer und Idealist
Karl Friedrich Aust, der das gleichnamige Weingut seines Vaters übernommen hatte, kann sich über etliche Prämierungen seiner edlen Tropfen freuen. Verkostet wird heute der Bacchus „Aust-Zeit“, ein weißer Cuvée, dann ein roter Spätburgunder, der vom Falstaff achtundneunzig Punkte bekam. Jahrelang hat der begeisterte Jungwinzer das jahrhundertealte Weingut seines Vaters nach der Wende saniert und eine moderne Kellerei dazugebaut. „Wir produzieren jährlich vierzigtausend Flaschen“, erzählt der gelernte Steinmetz über seine neue Berufung.
Weingut Schloss Wackerbarth.
©Gurmann MariaAm nächsten Tag steht eine Radtour mit Gästeführerin Anett Orzyszek auf dem Programm. Die abwechslungsreichen Rad- und Wanderrouten sind gut ausgeschildert. Erste Station ist das im 18. Jahrhundert erbaute Barockschloss Wackerbarth. Heute ist es Sitz der Sächsischen Staatsweingutgesellschaft mit einer der größten Sektkellereien Deutschlands. Sechshunderttausend Flaschen Wein und Sekt werden hier pro Jahr produziert. Besonders beliebt für Hochzeiten, Feiern und Weinverkostungen ist das Belvedere mitten im Weinberg.
Radtour rund um Dresden.
©Gurmann MariaSelfie mit Aschenputtel
Durch Wiesen und Wälder geht es weiter zum Schloss Moritzburg, auf dessen Stiege Aschenputtel in dem Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ihren Schuh verliert – zu DDR-Zeiten in den 1970er-Jahren ein Kassenschlager. Aber auch jetzt strömen noch Tausende Touristen pro Jahr für ein Selfie mit dem goldenen Schuh auf der Treppe zum Märchenschloss.
Drehort von Aschenbrödel im Schloss Moritzburg.
©Gurmann MariaWeniger überlaufen und idyllischer ist das dazugehörige Fasanenschlösschen. Das kleinste Königsschloss Sachsens mit der zartrosa Fassade sieht aus wie ein Puppenhaus. Im chinesischen Stil errichtet, ist es mit seinen exotischen Wandbespannungen und dem kostbaren Interieur das einzige erhaltene Rokokoschloss rund um Dresden.
Villa Sorgenfrei in Radebeul. Ein Hotel-Juwel mit Sterne-Restaurant.
©Gurmann MariaNach dieser ereignisreichen Radtour lässt es sich in einem kleinen, alten Herren- oder Winzerhaus besonders fein ausruhen. Die Villa Sorgenfrei ist ein liebevoll restauriertes Juwel aus dem 18. Jahrhundert. Die Mauern des Anwesens erzählen Geschichten längst vergangener Tage. Im Park mit den alten Bäumen und den prachtvollen Hortensiensträuchern kehrt Ruhe ein. Und der Hunger wird im Sterne-Restaurant Atelier Sanssouci in der Orangerie gestillt, bevor man sich in eines der sechzehn Zimmer und Suiten gemütlich ins Bett fallen lässt.
Porzellanmanufaktur Meissen.
©Gurmann MariaPorzellanmanufaktur Meissen
Auf einer Reise ins Elbland darf natürlich ein Ausflug nach Meißen nicht fehlen. Highlight ist der Blick hinter die Kulissen der ersten europäischen Porzellanmanufaktur. Märchenhaft. Ein Erlebnis ist die Führung in kleinen Gruppen, bei der man detaillierte Einblicke bekommt: zum Beispiel ins Formenarchiv, in die Malerei und das Glasieren. Mit dem Markenzeichen, den gekreuzten Schwertern, wird die Echtheit und Qualität jedes Stücks bestätig. Die 1708 gegründete Manufaktur hat sich der Zeit angepasst.
2024 gab es eine Zusammenarbeit mit dem Künstler Michael Moebius, der eine Serie namens "Legends Blowing bubbles“ gestaltet hat - darunter wurden Marilyn Monroe und Audrey Hepburn in Porzellan verewigt, jede bläst eine rosafarbene, gäserne Bubble von der Moser-Glasmanufaktur auf. Im Laufe der Zeit arbeitete die älteste Porzellanmanufaktur Europas für viele Berühmtheiten und Adelshäuser. Am Ende der Tour können Besucher in einem Workshop selbst ein Stück bemalen - und erkennen, wie schwer und filigran diese Handarbeit ist.
Infos
Anreise Mit der Bahn von Wien HB nach Dresden über Prag in ca. 6,5 Stunden. oebb.at
Rad- und Wanderrouten mit Tour-Guides Anett (von elblandtours.de) oder Marcel (von elbtal.tours).
1.400 Hobbywinzer pflegen in Sachsen ihre kleinen Weingärten.
Sterne-Restaurant Atelier Sanssouci in der Villa Sorgenfrei.
©Gurmann MariaÜbernachten Villa Sorgenfrei in Radebeul, ein prachtvolles Herrenhaus aus dem 18. Jh. mit dem 1-Michelin-Stern-Restaurant Atelier Sanssouci mit dem historischen Fest- und Gartensaal aus dem 18. Jahrhundert: Sandsteinfußboden, Stuckdecke und kostbare Wand- bzw. Spiegelmalereien. Zimmerpreise je nach lSaison ab 175 Euro/Nacht. hotel-villa-sorgenfrei.de
Karl May Museum von Di.–Sa., 10 bis 18 Uhr, karl-may-museum.de
Auskunft schloss-wackerbarth.de, visit-dresden-elbland.de, schloss-moritzburg.de
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