Amsterdam

Amsterdam: Persönlicher Wegweiser eines Stadtkenners

Die niederländische Metropole, die heuer ihr 750-jähriges Bestehen feiert, bezaubert mit ihrer Nähe von Historie und Modernität immer wieder neu: Persönliche Tipps und Lieblingsorte eines regelmäßigen Besuchers.

Alewijn. So hieß also der erste Amsterdamer, das hat eine Abstimmung vor Kurzem ergeben. Bevor Alewijn einen Namen hatte, war sein Gesicht dreidimensional rekonstruiert worden – auf der Basis von Gebeinen eines Mannes, der vermutlich zwischen 1150 und 1215 verstorben war.

Immerhin blieb ihm ein posthumer Spitzname wie „Ötzi“ oder eine von Internet-Witzbolden verliehene Bezeichnung, die wohl irgendetwas mit Chuck Norris zu tun gehabt hätte, erspart.

Alewijn

Alewijn  heißt Amsterdams Antwort auf Ötzi.

©Michael Huber

Gefunden wurde Alewijn nahe der „Oude Kerk“, die heute als das älteste erhaltene Gebäude Amsterdams gilt. Es sind hier noch zahlreiche weitere Menschen begraben, 60.000 sollen es sein: Der ganze Boden des imposanten Baus, über den sich ein hohes Holzgewölbe erhebt, ist mit steinernen Grabplatten ausgelegt. Die meisten Besucher suchen jene mit der Inschrift „Saskia“: Saskia Uylenburgh, Rembrandts erste Frau, wurde hier zur Ruhe gebettet.

Es ist aber nicht der klischeehafte Sinn fürs Morbide, der den Besucher aus Wien an der Oude Kerk fasziniert: Der erste Besuch hier fand wegen einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst statt.

Zurück in die Gegenwart

Ihr bietet die Kirche, die während des protestantischen Bildersturms 1578 jeglicher sakraler Kunst entledigt wurde, heute immer wieder Platz, gebetet wird nur noch sonntags. Und so legt sich eine weitere Schicht über diese so bewegte Stadt, die mit den Spuren ihrer Geschichte auf Schritt und Tritt überrascht und gleichzeitig so modern, fortschrittlich und hip ist.

Die „Oude Kerk“, das älteste erhaltene Gebäude Amsterdams.

Die „Oude Kerk“, das älteste erhaltene Gebäude Amsterdams.

©Michael Huber

Ähnlich wie in der Wasserstadt Venedig gilt es auch in Amsterdam, sich dem Sog der scheinbar unvermeidlichen Routen ein kleines bisschen zu entziehen: Vom Bahnhof kommend durchmisst man das Zentrum eben nicht der Hauptstraße Damrak entlang, sondern geht den Zeedijk entlang und quert das nicht mehr verruchte, aber doch touristisch überrannte Rotlichtviertel Richtung Nieuwmarkt, wo das „Restaurant-Café in de Waag“ kulinarisch einiges bietet.

Die besten Shopping-Adressen

Jede der Sternstraßen, die vom Zentrum über den Grachtengürtel in die äußeren Bezirke führen, hat ein leicht anderes Flair: Die Spiegelstraat ist traditionell die Adresse für klassische Antiquitätenhändler, Boutiquen und Kosmetik-Shops samt Luxusmarken sind eher in der Leidsestraat zu Hause.

Musikfans werden allerdings am „Concerto“ nicht vorbeikommen: Das weitläufige Geschäft in der Utrechtsestraat (nahe Keizersgracht) bietet eine Auswahl an Tonträgern (Vinyl, CD, DVD) und Literatur rund ums Thema Pop und Rock, wie man sie im Digitalzeitalter nur mehr sehr selten antrifft. Der Shop ist auch ein Infopunkt für alles, was musikalisch gerade los ist – etwa im „Melkweg“, dem Kulturzentrum in einer ehemaligen Molkerei, das regelmäßig von Größen der Indie-Szene angesteuert wird.

Zuvor geht sich aber noch ein Besuch am Albert Cuypmarkt aus: Der laut offiziellen Angaben größte Outdoor-Markt der Niederlande zieht sich viele Häuserblocks entlang der namensgebenden Straße und bietet von trashigen Haushaltsartikeln über Blumen und Waffeln in allen Varianten so ziemlich alles – vor allem aber einen Blick auf die vielen Communitys, die Amsterdam heute ihr Zuhause nennen.

Info

Anreise
Per Nachtzug tägliche Direktverbindungen ab Wien und Innsbruck mit dem Nightjet, Tickets bereits ab 44,90 €, Liegewagen ab 134,90 € (Sparschiene). Der Flughafen Amsterdam-Schipohl wird ab Wien von Austrian oder KLM direkt angeflogen.

750 Jahre
Das Jubiläum, das in der Stadt an der Mündung des Amstel-Flusses heuer gefeiert wird, nimmt ein am 27. Oktober 1275 erlassenes Zollprivileg als Ankerpunkt. Infos, Events: amsterdam750.nl

Über die Vorgeschichte dieser Gemeinschaften, die einiges mit der kolonialen Vergangenheit der Niederlande in Regionen wie Indonesien zu tun hat, machen sich die Kulturinstitutionen in jüngerer Zeit verstärkt Gedanken. Es ist also gar nicht verkehrt, vom Markt ins Rijksmuseum hinüberzugehen und dort die Gemälde des „Goldenen Zeitalters“ einem zweiten Blick zu unterziehen. Während die Massen bei Rembrandts „Nachtwache“ stehen, kann man nebenan übrigens meist ganz in Ruhe Vermeers „Kleine Straße“ betrachten.

Michael Huber

Über Michael Huber

Michael Huber, 1976 in Klagenfurt geboren, ist seit 2009 Redakteur im Ressort Kultur & Medien mit den Themenschwerpunkten Bildende Kunst und Kulturpolitik. Er studierte Publizistik und Kunstgeschichte und kam 1998 als Volontär erstmals in die KURIER-Redaktion. 2001 stieg er in der Sonntags-Redaktion ein, wo er für die Beilage "kult" über Popmusik schrieb und das erste Kurier-Blog führte. Von 2006-2007 war Michael Huber Fulbright Student und Bollinger Fellow an der Columbia University Journalism School in New York City, wo er ein Programm mit Schwerpunkt Kulturjournalismus mit dem Titel „Master of Arts“ abschloss. Als freier Journalist veröffentlichte er Artikel u.a. bei ORF ON Kultur, in der Süddeutschen Zeitung, der Kunstzeitung und in den Magazinen FORMAT, the gap, TBA und BIORAMA.

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