Treffen mit Apos Bruder

Demonstranten zeigen vor einem großen Porträt von Abdullah Öcalan Victory-Zeichen.
Der (Kinder-)KURIER traf den Bruder von Abdullah Öcalan, genannt Apo in dessen Geburtsort Ömerli im Südosten der Türkei.

Auf der Fahrt von (Gazi-)Antep nach (Şanlı-)Urfa ein Abstecher von der Haupt in eine Land- und dann eine Dorfstraße. „Ja, da geradeaus und dann links“ bedeuten die ersten befragten Bewohner_innen von Ömerli. Vor besagter Kurve deuten die gerade Pause machenden Arbeiter dem Bus mit den rund zwei Dutzend Teilnehmer_innen der Tura Mezopotamya (Südostanatolien ist der nördliche Teil des Zweistromlandes) aus der Schweiz und verschiedenen Städten Österreichs gleich nach links.

Offenes Haus

Eine Gruppe von Menschen posiert für ein Foto, das ein Kind mit einem Smartphone aufnimmt.
Holper die Polter, der Bus stoppt bei einem der einstöckigen Häuser mit Hof und der einen oder anderen Fläche auf der Gemüse angebaut wird. In diesem Hof, einem offenbar fast immer offenen herrscht Kommen und Gehen, Kinder des Dorfes laufen rein und raus, andere betrachten die Gäste ein wenig neugierig. Aber deutlich weniger als in anderen Dörfern.

Kämpfer gegen IS

Noch eine Besonderheit: Quer über den Hof sind kleine gelbe Fahnen gespannt. Mit YPG, mit Bildern jenes Mannes, den viele hier in Mesopotamien, Anatolien, dem Osten der Türkei schätzen, ja verehren – als die Personifizierung des Befreiungskampfes, des Widerstandes dagegen, dass einem Millionenvolk fast 100 Jahre lang sogar die eigene Sprache verboten worden war. Und der in anderen Teilen seines Heimatlandes sowie in anderen Ländern als Terrorist benannt wird: Abdullah Öcalan, meist Apo genannt. Derzeit vielleicht ein wenig weniger, weil kurdische Kämpferinnen und Kämpfer jene sind, die bewaffneten Kampf gegen IS führen und die symbolisch wichtige Stadt Kobanê im Irak sowie Rojava in Syrien befreien konnten.

Interview

Eine Frau mit roten Haaren interviewt einen Mann mit Schnurrbart im Freien.
Also, hier in diesem Haus lebte Abdullah Öcalan, der seit 16 Jahren im Gefängnis auf der Gefängnisinsel İmralı im Marmarameer sitzt. Und hier in diesem Dorf lebt sein rund eineinhalb Jahre jüngerer Bruder Mehmet. Weil kolportiert wird, dass er seinen Bruder regelmäßig im Gefängnis besuche, ergibt sich die erste Frage praktisch von selbst:„Wie geht es Ihrem Bruder?“
Mehmet Öcalan: „Das kann ich so leider nicht sagen, seit 6. Oktober durfte ich ihn nicht mehr besuchen. Wissen Sie, die türkischen Behörden handeln da einfach willkürlich, schikanös. Aber da doch regelmäßig Vertreter der Partei zu ihm dürfen, es geht ja um die Vorbereitung von Friedensverhandlungen, weiß ich, dass es ihm erträglich geht.“

„Wie hält er sich fit?“
„Er ist zwar eingesperrt, aber genauso geistig rege und beweglich wie vorher. Das hält ihn fit.“

Eine Frau mit roten Haaren schreibt in ein Notizbuch, während zwei Personen daneben sitzen.
„Sind Sie zuversichtlich, dass es jetzt wirklich zu einem Friedensprozess kommt?“
„Dadurch, dass kurdische Kämpferinnen und Kämpfer Kobanê von den Terroristen der IS befreien und im Norden Syriens mit Rojava ein befreites Gebiet aufbauen konnten, haben wir schon noch einmal Rückenwind, noch mehr Unterstützung für unsere Positionen gewonnen. Ich bin zuversichtlich, dass es diesmal schon klappen wird, dass wir zu einer friedlichen, demokratischen Lösung mit der türkischen Regierung kommen werden.“

Kurd_innen leben in der Türkei, im Irak, in Syrien, im Iran und in Aserbaidschan. Insgesamt gibt es geschätzte 40 Millionen Kurd_innen in der Region. Hundertausende sind nach Europa geflüchtet, auch nach Österreich.

Bis vor wenigen Jahren anerkannte der Staat Kurd_innen nicht als eigene Volksgruppe. Ihre Sprache war verboten, sogar einige Buchstaben ihres Alphabetes.

1978 wurde die Arbeiterpartei Kurdistans PKK gegründet, Abdullah Öcalan ist ihr Vorsitzender. 1984 begannen die bewaffneten Auseinandersetzung mit dem türkischen Militär, bei denen bisher rund 40.000 Menschen ums Leben kamen. Abdullah Öcalan wurde vor 16 Jahren verhaftet. Zu Newroz (Neujahrsfest zu Frühlingsbeginn) wurde ein Brief von ihm aus dem Gefängnis verlesen. Er schlägt einen Friedenskongress vor.

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