Nicht wir, die Flüchtlinge haben Probleme

Eine Installation in Form eines Tores steht an einer Küste.
Fernseh-Doku "Keine Insel" - Fabian Eder unterwegs auf der "Europa" vor Lampedusa, Malta und Sizilien.

Im Oktober des Vorjahres ertranken vor Lampedusa mehr als 350 Menschen, die aus elenden Bedingungen in ihren Heimatländern flüchten wollten. Wenige Wochen später machte sich der österreichische Filmemacher Fabian Eder mit einem kleinen Team auf einem Segelboot namens „Europa“ auf, um diese Insel sowie weitere Zufluchtsorte auf Malta und Sizilien zu besuchen. „Jetzt brennt das Thema unter den Nägeln, jetzt will ich wissen, was da los ist“, begründet er im KURIER-Gespräch seinen raschen Aufbruch trotz winterlicher, eisiger Kälte. „Keine Insel“, die knapp mehr als 50-minütige Doku läuft am Sonntag nach „Im Zentrum“ auf ORF2.

Erdrückend

Zwei zerstörte Fischerboote liegen auf einem Schutthaufen.
Schiffsfriedhof auf Lampedusa
Erdrückende Bilder des riesigen Schiffsfriedhofes hinter dem Fischereihafen in Lampedusa oder lange ruhige Blicke auf Porta d’ Europa (Tor nach Europa), das Mahnmal des italienischen Künstlers Domenico Palladino, das an all jene erinnert, die es nicht bis hierher geschafft haben, gehören ebenso dazu wie Gespräche mit Flüchtlingen, Bewohnerinnen und Bewohnern sowie lokalen PolitikerInnen.

Militarisierung

Eine lächelnde Frau mit blonden Haaren und Ohrringen.
Interview mit Giusi Nicolini, Bürgermeisterin von Lampedusa
In Lampedusa mit seinen rund 4500 EinwohnerInnen, die zusätzlich rund 2000 Militärs und PolizistInnen beherbergen müssen, kommt vor allem eine Frau lange zu Wort, die Bürgermeisterin Giusi Nicolini: „Das, was Lampedusa so verändert hat, was das Schicksal der Insel so negativ beeinflusst hat, ist die gesamte Flüchtlings- und Einwanderungspolitik, diese Abschottungspolitik Europas. Das führte zu einer militarisierten Insel, auf welcher die Bedürfnisse der Einwohner in den Hintergrund gedrängt worden sind“, sagt sie im Interview. Ruhig und sachlich plädiert sie für den menschlichen Umgang: „Wir sollten unseren Kindern bereits in der Volksschule beibringen, dass Migration etwas völlig natürliches ist und dass die Menschen immer aus den gleichen Gründen ein- und auswandern, nämlich wegen der Ernährung und wegen des Überlebens.“ Sie prangert den scheinheiligen Umgang knapp nach dem großen medialen Echo nach dem Tod hunderter Flüchtlinge auf einmal an: „Unsere Regierung hat die eritreische Regierung zu dem Begräbnis der 366 ertrunkenen Bootsflüchtlinge vom 3. Oktober eingeladen… hätte man rechtzeitig humanitäre Hilfe angeboten, dann hätte man sie jetzt nicht zu diesem Begräbnis einladen müssen.“

Willkürliche Grenzen

Eine Gruppe von Männern wird von einem Kamerateam gefilmt.
Interviews mit Flüchtlingen, Dreh auf Malta
Aus vielen der Gespräche habe er selbst, so Eder zum KURIER, gelernt, dass viele der Menschen vor Ort sehr genau erkennen, dass „wir die Grenzen machen und das ziemlich willkürlich bestimmen, wer wo rein darf und wer nicht“ und dann lässt der Film einen Mann auf Sizilien zu Wort kommen der sagt: „Es sind doch nicht wir, die Probleme haben. Probleme haben die Flüchtlinge, sonst müssten sie nicht flüchten.“

Kommentierend zietiert der Film den englischen Dichter des 16./17. Jahrhunderts John Donne, der schrieb: „Niemand lebt als Insel,/Einsam für sich selbst./Jeder gehört zum Ganzen,…“

Keine Insel
Buch und Regie: Fabian Eder
Kamera: Matias Lackner
Schnitt: Christopher Stallybrass
Musik: Sterzinger Experience
Produzenten: Katharina Stemberger & Fabian Eder, Backyard Gmbh.

52 Minuten, HD, Stereo
no-island.eu

Erstausstrahlung:
18. Mai, 23.05 Uhr (nach Im Zentrum)
ORF2

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