Denen zeig ich's aber!
In der Schweiz kennt wahrscheinlich jedes Kind den „Schellen-Ursli“ fast genauso wie „Heidi“. Auch in Japan, China, Indien, demnächst auch in Korea oder Mexico. Von dort kam Regisseur Xavier Koller zur Wien-Premiere, an deren Rand er dem Kinder-KURIER ein Interview gab. 1000 Leute waren in Mexico zur Premiere gekommen „und die sind voll mitgegangen“, freut er sich über die Begeisterung tausende Kilometer vom eigentlichen Ort der Handlung entfernt.
Erster Film für alle drei Kinder
Koller hat aus dem Bilderbuch einen wirklichen Spielfilm gemacht, indem er neue Figuren und zusätzlich spannende Handlungen wie die mehrfache Begegnung des Ursli mit einer Wölfin und einen Bösewicht samt ungutem Sohn eingebaut hat. Auch das Gespräch mit ihm gibt's unten.
Eine Legende
Schwyzer-Dütsch und Hochdeutsch
An 39 von 40 Drehtagen war Jonas Hartmann (13) im Einsatz. Er spielt einen wunderbaren Schellen-Ursli. „Der passt gut zu mir und ich gut zu ihm“, resümiert der Churer gegen Ende des Gesprächs. Dabei begann der Einstieg in Hartmanns ersten Film nicht leicht. Er hatte sich, wie Laurin Michael, der den Roman spielte, für ein Casting im Heidi-Film beworben und darauf gehofft, den Geißen-Peter spielen zu dürfen. „Als es dann immer enger wurde, die letzten zehn, die letzten fünf, da hab ich meine große Chance schon gewittert. Als dann die Absage kam, war ich schon etwas enttäuscht. Aber dann haben sie mich angefragt für den Schellen-Ursli. Und das war echt gut.
Leidenschaft ausleben
Aber seine Leidenschaft für Tiere – „wir haben zwar nur eine Katze und einen Hund“ – konnte er im Film ausleben und ausnützen. „Wenn ich irgendwo ein Tier sehe, dann nähere ich mich gleich gern an und beginne mit ihm zu spielen. Ich mach das gern. So ein Tier ist dann wie eine Art Bruder. Obwohl ich spiel schon mit meinem echten Bruder gern, natürlich auch mit meiner Schwester, aber...“ und wenn die Rede auf Tiere kommt, wirkt Jonas noch mal emotionaler als bei den menschlichen Geschwistern. „Am Filmset sind mir ja auch die Ziegen nicht von der Seite gewichen. Und mit dem Wolf da hatte ich den Dreh recht schnell raus.“
Glocken-Rodelfahrt
Nach einem Lawinenabgang ist Uorsin im Schnee verschüttet. „Da war ich schon ganz eingebuddelt und mit Hundefutter eingerieben, damit der Wolf das schmeckt (wie Schweizer zu riechen sagen). Aber da hab ich dann doch auch immer wieder den Schnee von unten nach oben gedrückt, bis ich endlich auferstehen konnte wie ein Zombie“, weil alle ihn zu dem Zeitpunkt im Film ja schon für tot gehalten hatten.
Auf Trab gehalten
Schellen-Ursli „war mein erster, aber hoffentlich nicht mein letzter Film“, hofft der 13-Jährige auf Folgeprojekte, auch wenn ihm das Star-Sein und fotografiert werden „schon Spaß macht, aber manchmal dann doch auch nervt, wenn ich nur schnell wohin will, und alle wollen ein Foto und eine Unterschrift“.
Dadurch, dass er beim Dreh fast immer im Einsatz war, hab ich nicht so viel mit der Privatlehrerin lernen können und muss jetzt doch einiges nachlernen, dafür hab ich was Cooles erlebt“.
Auch für Julia Jeker ist „Schellen-Ursli“ ihre Filmpremiere. Aber nicht das Ende. Die 13-jährige „hatte keine Ahnung, wie man das macht, was mich da erwartet und was das bedeutet“. Freunde hatten in einer Zeitung den Aufruf fürs erste Casting gesehen, davon ihrer Mutter erzählt „und die hat mich dann gefragt. Ja gut, kann ich ja mal mitmachen, hab ich gesagt“.
Das Buch „hab ich natürlich gekannt, aber der Film ist ja doch eine andere Geschichte. Ich hab gedacht, vielleicht geht’s um die Flurina (Schellen-Urslis Schwester, die in Folgebüchern vorkommt), aber eben nur eine ganz kleine Rolle.“ Es folgten weitere Castings, „ich glaub insgesamt waren‘s acht. Von Mal zu Mal hab ich dann schon gedacht, das könnt was Größeres werden. Und am Ende war ich dann auch gespannt, ob ich genommen werde, zuletzt sogar schon aufgeregt.“
Ganz was Neues
Auf die Frage, ob sie dann eher neugierig war oder Angst vor dem Dreh gehabt hätte, meint die 13-Jährige: „ich war mehr neugierig. Angst hab ich keine gehabt, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie das werden würde. Es war dann schon ziemlich anstrengend, weil wir teilweise doch auch lange Drehtage hatten. Aber ich war positiv überrascht. Am Set waren ja doch so jeden Tag 80 bis 100 Leute. Und das viele Wochen. Bald war das wie eine richtige Familie, weil wir all das selbe wollten. Das war bald voll cool.“
Ist dir die eine oder andere Szene vom
Dreh in Erinnerung geblieben?
„Das gilt fast für den ganzen Film. Die ersten zwei, drei Mal anschauen konnte ich ihn gar nicht genießen, weil mir bei jeder Szene eingefallen ist, wie wir das gemacht haben, oder dass es da besonders kalt war oder ein Tier abgehauen ist.“
Letztlich fällt Julia Jeker aber dann doch eine Szene ein: „ich glaub die haben wir 20 oder sogar 30 Mal gedreht. Da musste ich den Berg hochrennen. Das war schon anstrengend. Noch dazu musste ich in der Anschluss-Szene reden, einen Dialog führen. Und dann als wir uns den Film zum ersten Mal angeschaut hatten – war die Szene gar nicht drinnen.“
Wie oft hast du jetzt denn den Film schon gesehen?
„Auf Schweizer Deutsch so fast 20 Mal, und dann einmal auf Französisch in Lausanne und einmal auf Italienisch. Aber auch schon auf Deutsch ein paar Mal bei unserer Deutschland-Tournee, zum ersten Mal im Europapark.“
Naja, bei Französisch und Italienisch ist es ja eine ganz andere Sprache, die ich nicht so gut verstehe, aber bei Deutsch war’s schon irgendwie ganz speziell. Nicht schlecht, aber es tönt dann schon anders wie das Schweizer Deutsch und manchmal haben sie total andere Wörter verwendet.“
Mittlerweile ist Julia Jeker dabei, die andere Seite zu kennen. Nach dem Dreh „hab ich jetzt ein paar Hörspiele aufgenommen und für eine Serie Schweizer-Deutsch synchron gesprochen. Am Anfang war das schon ein bisschen speziell, weil du hast das Bild. Und du hörst auch, wie das gesprochen wird, wie die Tonlage ist und du musst das versuchen, total gleich zu machen. Beim Spielfilm hast du doch mehr Freiheit, weil es da ja noch keine Vorlage gibt.“
Was machst du am liebsten in deiner Freizeit?
Ich hab nicht so wahnsinnig viele freie Zeit, weil ich jetzt aufs Gymnasium gehe und da viel Schule und viel Hausübungen habe. Aber am liebsten treff ich mich mit Freundinnen.
Und in der Schule?
Die Pausen sind ganz schön. Turnen und Sport mag ich auch sehr gern.
Schiers, ihr Geburts- und Heimatdorf „ist ungefähr fünf Mal so groß wie dort, wo wir gedreht haben. Das war ja wirklich sehr klein.“
Der 12-jährige Laurin Michael spielt den jungen Bösewicht Roman. Der Dreh war sein erster Film. „Eigentlich hab ich mich zum Spaß fürs „Heidi“-Casting angemeldet. Aber dann kam der Anruf, dass ich für Schellen-Ursli genommen werde“. Auf die Frage, ob es schwierig gewesen sei, gerade den Bösen zu spielen, sagt Laurin: „Das war mir eigentlich egal. Manchmal war es schon schwierig, aber nicht deswegen. Du musst dich einfach konzentrieren, dann geht’s schon.“
Dennoch könnte sich der gebürtige Thusiser „schon vorstellen, weiter zu schauspielern“. Vor der Kamera stand er wirklich das allererste Mal, „gefilmt hab ich auch mit Freunden oder privat noch nie. Aber Theater hab ich schon öfter in der Schule gespielt“.
Ein Gutteil des Drehs fand während der Schulzeit statt. „Wir hatten eine Privatlehrerin und mit der haben wir so viele gemacht, dass meine Klasse erstaunlicherweise nicht viel weiter war als ich wieder in die Schule kam. Ich musste da nur sehr wenig nachlernen.“
Der Film ist in der Schweiz ja der Renner, „aber von Freunden oder Bekannten hat mich echt noch niemand auf den Film angesprochen. Aber meine Klasse war uns einmal an einem Drehtag besuchen.“
Laurin Michaels Lieblingsbeschäftigungen sind „Fußball und Volleyball spielen und überhaupt Sport. Auch in der Schule mag ich Turnen. Und ich singe gern.“
„Auch wenn sie in dem engen Tal und auf dem Berg in Graubünden spielt, ist es eine universelle Geschichte, ein Märchen“, meint der Regisseur. „Wer kennt das nicht, als Kind einmal ungerecht behandelt worden zu sein. Um sich dann aufzumachen, zielstrebig, alle Hindernisse zu überwinden, um es denen allen zu zeigen“, begründet er auch den großen Erfolg zum Beispiel in Mexiko, wo er eine Woche davor zur Premiere war. In der Schweiz sowieso. Da startete der Film –natürlich auf Schwyzerdütsch „anders ginge das gar nicht“ – im Herbst und wurde bisher von fast einer halben Million Menschen gesehen. „Da waren manches Mal sogar vier Generationen miteinander im Kino“.
Als Koller gefragt wurde, „ob ich das machen will, gab es schon ein Drehbuch. Das fand ich aber nicht gut, nicht stimmig, sowohl von den Figuren als auch den Dialogen her. außerdem war’s mir zu traurig, zu schwer, auch zu wenig spannend.“
Wölfin und Bösewicht
Um einen ganzen Film zu tragen, brauchte es aber noch eine Geschichte, weitere Figuren. Und da siedelte Xavier Koller „im Dorf-Biotop einen comichaften Bösewicht an“. Der halsabschneiderische Kaufmann Armon und sein Sohn Roman sind diese Bösewichter. Beim Alm-Abtrieb stürzt der Leiterwagen von Urslis Familie in die Schlucht, die großen Käseräder werden vom Forellen fischenden Armon geborgen und in seinem Laden als eigene verkauft. Total verschuldet, muss Ursli sogar seine junge Ziege Zila an Roman abtreten. Und aus der großen, eigens für ihn gegossenen Glocke für den Chalandamarz-Umzug muss sogar sein eingravierter Name wieder rausgeschmolzen werden – die krallt sich auch der Roman. Ist aber notwendig, damit Uorsin/Ursli – wie im Buch – den abenteuerlichen Weg zum winterfest gemachten Bergbauernhof auf sich nehmen kann/muss.
Wahrheit suchen
Vor allem mit den drei Kindern hatte das Filmteam Glück. Sie kommen aus der Region Graubünden und wirken sehr echt, sehr überzeugend, sehr authentisch. „Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit, um die Gefühlswelt der Kinder darzustellen, war mir sehr wichtig“, freut sich Regisseur Koller über die gelungene Auswahl.
Für den Dreh fand das Team die ideale Location, die wirkt als wäre sie irgendwie aus Raum und Zeit gefallen. „Wir haben die Dorfszenen auf der Schattenseite, dem Armenviertel, in das im Winter kein Sonnenstrahl hinkommt, eines Original-Dorfes gedreht, in dem nur mehr eine Familie lebt. Wir haben dann noch ein paar Häuser wie den Kaufmannsladen, Ställe oder das Haus der Familie vom Uorsin gebaut. Die Familie hat dann die Schneekanone bedient, weil es doch zu wenig Schnee gab. Und sie haben Kaffee für die Bauleute gekocht.“
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