Warum Phantasie wichtiger ist als Wissen

Ein Wandgemälde zeigt ein Gesicht mit indianischer Kriegsbemalung, dessen Haare von einem Baum gebildet werden.
"Lasst die Kinder träumen": In seinem neuen Buch erklärt Erziehungsberater Jan-Uwe Rogge, wie Sie die Phantasie Ihres Kindes fördern können.
Ein Wandgemälde zeigt ein Gesicht mit indianischer Kriegsbemalung, dessen Haare von einem Baum gebildet werden.

Kreativ erzählen ist nicht lügen
Wenn Kinder etwas von ihrem Tag erzählen, ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar, ob sie die Wahrheit sagen oder eine phantastische Geschichten wie aus dem Märchen erfinden.
Ein blauer Morphofalter sitzt auf dem Kopf eines Mädchens.

Wer mit dem fliegenden Teppich nach Alaska fliegt, erzählt eindeutig eine Geschichte. Wer vom Urlaub am Strand berichtet und gar nicht weg war, ist nicht so leicht zu enttarnen. Manche Eltern strafen die Kinder Lügen und kritisieren die Geschichten. Lassen Sie Ihr Kind seine Ideen ausformulieren – und fragen Sie ruhig nach, wie es am Nordpol war!
Warum Phantasie wichtiger ist als Wissen

Geschichten erzählen statt nur Vorlesen
Geschichtenerzähler Folke Tegetthoff erfand mit seinen Kindern die Figuren, von denen er ihnen später immer neue Gute-Nacht-Geschichten erzählte. Für das Gehirn der Erwachsenen ist das Ausdenken von Geschichten auch förderlich.
Ein Mädchen liest das Buch „Der Räuber Hotzenplotz“ von Otfried Preußler.

Keine Angst vor bösen Geschichten
Eltern tendieren zunehmend dazu, die alten Märchen und Geschichten zu verschönern und heikle Passagen umzutexten oder vermutlich irritierende Geschichten gar nicht zu erzählen. Da schwingt mehr die Meinung der Eltern mit als das Interesse der Kinder. Rogges Tipp: „Fragen Sie Ihr Kind, welche Geschichten ihm gefallen und warum!“
Eine Gruppe Kinder sitzt an einem Tisch und malt mit Buntstiften.

Kreative Materialien
Geben Sie Ihrem Kind die Utensilien, um seiner Phantasie auch mit den geeigneten Materialien freien Lauf zu lassen. Das aktuelle Atelier-Projekt im Wiener Kindermuseum Zoom ist das beste Beispiel dafür: Die kreativen Kids können in 90 Minuten aus dem reichen Recycling-Fundus schöpfen und aus Materialien wie Holz, Stoff, Karton oder Plastik ihre eigenen Skulpturen und Spielzeuge basteln. Noch nie ist einem Besucher dort nichts eingefallen!
Eine Homer Simpson-Figur trägt die Majora-Maske aus dem Videospiel „The Legend of Zelda: Majora's Mask“.

Kinder lieben Bastelarbeiten, Eltern mögen kleine Kunststücke – das widerspricht einander manchmal. So übernehmen manche Kindergärtnerinnen die Werkstücke der Kinder, damit sie schöner und ordentlicher aussehen. Nur dann würden sie von Eltern geschätzt. Doch wenn ein Kind mit einem völlig verqueren Stück nach Hause kommt, kann es Ihnen erklären, was das ist. Dann werden Sie es auch (an)erkennen.
Ein verziertes Lebkuchenhaus mit Zuckerguss und Süßigkeiten steht auf einem Tisch.

Zaubersprüche in den Alltag einbauen
Viele Märchen haben zentrale Rituale, an die sich die Kinder gewöhnen und die sie auch mitsprechen können. Den Satz „Spieglein, Spieglein, an der Wand …“ kann jeder fortsetzen. Solche wiederkehrenden Formulierungen geben dem Kind Sicherheit. Da kann es ruhig auch familieninterne Sprüche geben, die immer wieder aufgegriffen werden. Solche Zaubersprüche können einem Kind auch die Angst vor einer Situation nehmen.
Kinder basteln gemeinsam an Holzbauten an einem Tisch.

Sinnes-Vielfalt
Ihr Kind mag keine großen Geschichten erzählen? Lassen Sie es etwas basteln und dann darüber sprechen. Da tun sich Kinder oft leichter, als wenn sich die Phantasie nur im Kopf zeigt.
Eine Gruppe von Kindern und Erwachsenen steht auf einer Bühne und macht Handbewegungen.

Theater spielen
Eltern erkennen ihre Kinder nicht wieder, wenn sie auf einer Bühne stehen. Besonders der Prozess, das Stück zu erfinden, Kostüme zu entwerfen und zu basteln, macht ihnen Spaß. Bei professionellen Aufführungen unter der Regie von Erwachsenen wie im Wiener Kindertheater ist zwar weniger Kreativität, aber mehr Theater-Professionalität möglich.
Kinder sitzen an Tischen mit Laptops und nutzen das kostenlose WLAN.

Phantasiewelt im Computerspiel
Entgegen anderer Erwartungen steht Rogge dem Thema Computerspiele positiv gegenüber: „Computerwelten schaffen ihre eigenen Helden und Heldinnen in virtuellen Phantasieräumen.“ Als Beispiele nennt Rogge im Buch „Adventure“, „Sims“ und „World of Warcraft“. Weitgehend „deckt sich der Inhalt mit einem gewöhnlichen Rollenspiel“.
Ein Kind sitzt vor einem Laptop und betrachtet den Bildschirm.

Das Risiko in den Online-Spielen liege beim hohen Zeitfaktor, wenn man davon nicht loskommt. Sogar für kleine User können Online-Spiele wertvoll sein, nennt Rogge ein Beispiel: „Bei der App ‚Book Creator‘ erstellen Kinder ihr eigenes eBook.“ Große Kinder lassen ihre Eltern gerne an ihrer Computer-Welt teilhaben, wenn ein echtes Interesse besteht. Sie wollen nicht einfach nur kontrolliert werden.
Ein kleines Mädchen riecht an einer großen Sonnenblume auf einem Feld.

Naturerlebnisse
Das vollste Kinderzimmer bietet weniger Anregungen für Phantasie als die Natur. Besonders wenn Kinder ungehindert laufen und ihrer Abenteuerlust freien Lauf lassen können, kommt ihre Kreativität voll in Schwung. Dort werden sie zu kleinen Forschern.
Ein lächelndes Mädchen mit Kopfhörern liegt auf einem Sofa.

Kopfkino aus dem CD-Player
Eines der Probleme mit Fernsehen ist, dass Kinder die ganze Geschichte fix und fertig vorgegeben bekommen und nur konsumieren. Wer eine Geschichte hört, erfindet die Bilder dazu selbst. Rogge empfiehlt daher Hör-CDs als Anregung. Der Wiener Kinder-Radiosender Radino nennt seine Hörspiel-Zeit daher auch „Kopf-Kino“.
Zwei Kinder sind als Biene und Feuerwehrmann verkleidet.

Rollenspiele erfinden
Fasching ist vorbei, aber wer sagt, dass jetzt die Kostüme weggepackt werden müssen? Ständig in neue Rollen schlüpfen und Figuren erfinden, macht Kindern enormen Spaß.
Das Buch „Lasst die Kinder träumen“ von Jan-Uwe Rogge und Angelika Bartram mit zwei Kindern mit Kartons auf dem Kopf.

Lese-Tipp: Jan-Uwe-Rogge und Angelika Bartram, "Lasst die Kinder träumen - Warum Phantasie wichtiger ist als Wissen", Rowohl Taschenbuch Verlag 2015, 10,30 Euro (Österreich-Preis)

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